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Stadtwerder im Kreuzfeuer

■ Der Stadtwerder soll bebaut werden. Dagegen protestierte gestern der Bremer Naturschutzbund und schlug als Alternative eine Parkaanlage mit Wasserspielplatz, stilisierter Auenlandschaft und Kulturzentrum vor

Sind den Bremern ihre Villen etwa wichtiger als ihr Trinkwasser, fragte gestern der Bremer Naturschutzbund (Nabu) und lud zum Gespräch über die Zukunft des Stadtwerders ein. Denn seitdem sich kürzlich die rotschwarzen Fraktionsvorsitzenden Mike Neumeyer (CDU) und Christian Weber (SPD) stadtvernehmlich wünschten, daß rund um das Wasserwerk in der Neustadt eine Siedlung mit 400 schönen, großen Eigenheimen entstehen möge, machen sich auch andere Menschen in der Stadt Gedanken über den Filetgrund an der Kleinen Weser.

Ein Tritratrivoli fürs Neustädter Kleinbürgergemüt wünschen die einen, vom großbürgerlichen Musicon in der Neustadt statt am Schwachhauser Bürgerpark träumen die anderen. Und Sönke Hofmann vom Nabu sagt: ein Park! Er sagt das nicht nur. Er trompetet es – „da werd' ich persönlich für kämpfen“ – und ruft es in seinen imaginären Park hinein. Und er ist sich ganz sicher: Auch aus Bremens Stadtvolk, das sich dereinst 140.000füßig durch das 15 Hektar-Areal wälzen könnte, tönt es schon heute nicht anders heraus: „Einige tausend Unterschriften für ein Bürgerbegehren würden wir ganz schnell zusammenkriegen.“

Denn eines findet der Nabu-Mann aus der Neustadt mindestens so klar wie das Wasser in den Reservoiren rund um die 'umgedrehte Kommode': Ein Zubetonieren des kleinen Areals zwischen Werderstraße und kleiner Weser wäre stadtökologisch eine mittlere Katastrophe. Nicht zuletzt wegen der Trinkwasserversorgung. Noch nämlich gibt es hier das Stadtwerke-Projekt „Trinkwasser aus der Weser“. Und beim Nabu will man nicht einsehen, warum dieses „vielversprechende Projekt“ aus betriebswirtschaftlichen Gründen eingestellt werden soll. In den niedersächsischen Brunnen rund um Bremen nämlich ticken, so heißt es in der Pressemitteilung des Nabu, die Nitrate- und Pestizide-Zeitbomben: Das Grundwasser wird zusehends schlechter. Und vielerorts zwischen Diepholz und Verden seien die Grundwasserspiegel manchmal schon mehrere Meter abgesunken. „Unlauter“ findet es Sönke Hofmann da, daß die Stadtwerke „merkwürdigerweise im gleichen Moment“, in dem die Parteien über eine Bebauung der innerstädtischen Tränke nachdenken, nun von einer Unrentabilität des Reservoirs sprechen.

Warum nicht die Fortsetzung der Trinkwassergewin-nung und zugleich eine „weiche“ Bebauung mit einem Park, so seine Alternative: Mit einem großen Wasserspielplatz rechts vom Wasserwerk: mit Wasserrädern, „archimedischen Spiralen“, Matschtischen und Seilfähren. Mit einer stilisierten Auenlandschaft dann, Weiden, herausragenden Gesteinsblöcken und Blütenstauden auf dem Weg runter zur Kleinen Weser. Mit Liegewiesen und einen Amphitheater, auf dem des Sonntags im Sonnenlicht sich Laientheater dem Volke zum Wohlgefallen vergnügen. Und mittendrin das neue Kulturzentrum Umgedrehte Kommode mit einer Dauerausstellung rund um das Thema Wasser. Denn immerhin, so rechnet Sönke Hofmann, Neustädter Vater dreier Kinder, der gern selbst hin und wieder ins kühle Naß der Kleinen Weser jumpt: immerhin würden allein links der Weser 40.000 Menschen bereitstehen, um den Stadtwerder als Naherholungsgebiet zu nutzen. Wenn das Areal rund um das Wasserwerk erst zubetoniert sei, so fürchtet er, dann hingegen gäbe e kein Halten mehr: Dann müßten auch bald die Kleingärtner weg und das Café Sand und alles: „Wenn die Leute sich da für eine halbe Million Mark ihre Villengrundstücke kaufen, dann wollen die doch nicht neben einem stinkenden Komposthaufen wohnen.“ Und das Überschwem-mungsgebiet Sandwerder wäre dann auch perdu.

Die Chancen für den Park aber stehen schlecht. Im großkoalitionären Untergrund, heißt es, werden für Häuserbau längst die Fakten geschaffen. Auch Bausenator Bernt Schulte (CDU) stehe zu den Plänen der Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU, bestätigt sein Sprecher. „Das wird durchgezogen“, schätzt man in Schultes Behörde: Mit Verwaltung habe das sowieso nichts zu tun. Und die Frage, was nun sinnvoller sei, Bebauung der Häfenbrachen oder Innenstadtverdichtung am Stadtwerder, ein Park oder großangelegte Trinkwassergewinnung: das würde auch längst nicht mehr planerisch, sonsdern einzig und allein politisch entschieden. ritz

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