■ Mit Braunkohle auf du und du: Ersatz für Atomkraft?
Berlin (taz) – Die Diskussion um den Ausstieg aus der Kernenergie kommt Brandenburg und den übrigen neuen Ländern gelegen. Die ostdeutschen Braunkohlekraftwerke könnten kurzfristig etwa 10 Prozent der aus der Kernenergie erzeugten Primärenergie absichern. Deshalb wittert die Braunkohleindustrie, die wegen ihres hohen Ausstoßes des Klimagiftes CO2 am Pranger steht, Morgenluft.
Wie Rolf Schulz-Roloff, Abteilungsleiter Technologie- und Energiepolitik in Brandenburgs Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie (MWMT), erklärt, ist die Erzeugung von Primärenergie aus Braunkohle eine Existenzfrage für die Kohleländer Sachsen, Brandenburg und Nordrhein- Westfalen. Umweltschützer dagegen warnen davor, Strom aus Atomkraft durch Braunkohlestrom zu ersetzen.
Gegenwärtig werden in den ostdeutschen Kohlekraftwerken etwa 10 Milliarden Kilowattstunden erzeugt gegenüber 160 Milliarden Kilowattstunden, die aus den deutschen Atommeilern kommen. Die Erhaltung der Kohle- und Energiewirtschaft bei einer konstanten Förderleistung von etwa 41 Millionen Tonnen Rohbraunkohle im Jahr sichere direkt allein in Brandenburgs Teil des Lausitzer Kohlereviers etwa 6.000 bis 7.000 Arbeitsplätze in den Tagebauen. Schulz-Roloff bezifferte die Zahl der insgesamt in der ostdeutschen Energiewirtschaft gesicherten Arbeitsplätze auf 16.000 bis 17.000. Etwa 50 Prozent der in Brandenburg aus Braunkohle erzeugten Energiemenge geht nach Aussage des MWMT in den Export nach Westdeutschland, in die übrigen neuen Bundesländer und nach Berlin. Durch den Neubau der Kraftwerke Lippendorf und BoxbergII in Sachsen ließen sich die ostdeutschen Kapazitäten um bis zu 20 Prozent erweitern.
Für Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut ist dagegen die Substitution von Atomenergie durch Braunkohlestrom mit Blick auf das Kohlendioxid- Problem das „Schlimmste, was man tun kann“. Natürlich erhöhe jeder Ersatz eines AKWs durch ein fossiles Kraftwerk den Ausstoß von Treibhausgasen, aber ein Braunkohlekraftwerk blase etwa dreimal soviel CO2 in die Atmosphäre wie ein hocheffizientes Gaskraftwerk. Das deutsche Ziel, den CO2-Ausstoß bis 2005 um 25 Prozent zu verringern, rücke so in immer weitere Ferne. Doch auch betriebswirtschaftliche Gründe sprächen gegen die Braunkohle. Die Stromkonzerne würden eher ihre eigenen Gaskraftwerke bauen, als sich von den teuren Importen des dreckigen Braunkohlestroms abhängig zu machen. Ulrich Pürschel/bpo
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