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Kampfgeist und Spiellaune

Eher durch wiedererweckte alte Tugenden als ein revolutionäres Spielsystem des neuen Trainers Rainer Adrion gewinnt der VfB Stuttgart gegen Schalke 04 mit 2:1  ■ Aus Stuttgart Nina Klöckner

Stuttgart (taz) – Sasa Markovic stapfte zielsicher an den zwei Dutzend Journalisten vorüber, die in den Katakomben des Stuttgarter Daimlerstadions auf ihn warteten. Nur einmal hielt er kurz inne, um allen klarzumachen, was er von sich geben werde. „Nix, nix“, sprach er in die Runde, einfach nichts, weil er sich „mit seinem Deutsch nicht blamieren will“. Dabei hätte der Jugoslawe an diesem Nachmittag allen Grund gehabt, ein wenig von sich preiszugeben. Schließlich war sein Siegtreffer zum 2:1 gegen Schalke 04 das erste Tor, das er für seinen Arbeitgeber VfB Stuttgart in einem Bundesligaspiel erzielt hat. Und das nach einer Hinrunde, in der er schon als der teuerste Fehleinkauf in der Geschichte des VfB gehandelt wurde.

In der Ära Winfried Schäfer durfte der Stürmer seine Mannschaft am Ende nicht einmal mehr zu den Auswärtsspielen begleiten, und es ist auch kein Geheimnis gewesen, daß der Verein ihn gerne wieder losgeworden wäre. Sasa Markovic hat sich nach acht unangenehmen Monaten aber nicht nur selbst aus einem Tief geschossen. Er hat mit seinem Tor in der 81. Minute auch dafür gesorgt, daß seine neuen Trainer erst einmal in Ruhe weiterarbeiten können. Zumindest bis zum nächsten Spiel. Denn so hat die vielzitierte ballorientierte Raumdeckung den ersten öffentlichen Härtetest einigermaßen überstanden.

Während der Winterpause ist bei den Schwaben über nichts anderes mehr gesprochen worden. Nach dem vorweihnachtlichen Abgang von Winfried Schäfer war der neue Trainer Rainer Adrion gemeinsam mit seinem Kollegen Peter Starzmann am Neckar angetreten, um der Mannschaft beizubringen, dem Gegner möglichst viel „Raum und Zeit zu stehlen“. Das hört sich toll an, ruft bei dem einen oder anderen aus der Szene aber nur ein müdes Lächeln hervor. Neue Ideen sind im deutschen Fußball nicht gerade in Mode. Und so mußte sich das junge Trainergespann mit seiner neustrukturierten Mannschaft nicht nur den skeptischen Blicken von 26.000 Zuschauern stellen, sondern auch der gesamten Bundesliga.

Die ersten 20 Minuten klappte es ganz gut. „Es ist uns gelungen, Schalke unter Druck zu setzen“, sagte Adrion nach dem Spiel. Zählbares kam dabei aber nicht zustande. Und in der Folgezeit versank die neuinstallierte Viererkette nicht selten im Chaos. Adrion gab hinterher zu, daß das „System heute keine große Rolle gespielt hat“. Kampfgeist und Spiellaune hätten im Vordergrund gestanden. Weil seine Mannschaft das Spiel aber trotzdem gewinnen konnte, machte Adrion ihr am Ende ein „großes Kompliment“.

Sein Schalker Kollege wollte nicht viel zu der Neuerung sagen. Stuttgart hat gewonnen“. sagte Huub Stevens, „und dann hat der Trainer immer recht.“ Egal mit welchen System. Auch die Stuttgarter Spieler sprachen den Erfolg nicht unbedingt der neuen Spielweise zu. „Spielerisch haben wir nicht überzeugt“, sagte beispielsweise Kristijan Djordjevic, „aber kämpferisch.“ Pablo Thiam sah es ähnlich. „Es war ein hartumkämpftes Spiel“, sagte er, „und deshalb ist das System in den Hintergrund getreten.“

Es ist ein ziemlicher Einheitsbrei, der seit ein paar Wochen aus den Mündern der Stuttgarter kommt. Nach den Querelen der Hinrunde ist man offenbar darum bemüht, nach außen eine harmonische Einheit darzustellen. Nur dürfen sie dabei nicht vergessen, worum es geht – ums Fußballspielen. Daß das neue Konzept noch nicht hundertprozentig umgesetzt wird, ist nicht weiter schlimm. Das passiert eben. Aber den meisten Spielern war auch nicht anzumerken, daß sie unbedingt gewinnen wollten. Das macht die Sache nicht leichter. Egal in welchem System.

„Harmonie ist wichtig“, trat Stürmer Fredi Bobic noch ein bißchen hinter Winfried Schäfer her, „wenn die Mannschaft funktioniert und sich versteht, dann klappt alles, egal was man spielt.“ Am prägnantesten analysierte Spielmacher Krassimir Balakow den Nachmittag. Von dem neuen System sei noch nicht viel zu sehen gewesen, oder, fragte ein Journalist. „Nein, nur drei Punkte“, sagte Balakow und grinste breit. Denn das ist im Fußball immer noch das Entscheidende.

Schalke 04: Reck – Müller (83. Goossens) – de Kock, van Hoogdalem – Held, Kmetsch (83. Pereira), Hami (68. Anderbrügge), Alpugan, Büskens – Max, Mulder

Zuschauer: 23.000; Tore: 1:0 Djordjevic (47.), 1:1 Mulder (48.), 2:1 Markovic (81.)

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