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Albert HefeleHerr Hefele kriegt zwei Minuten

■ Warum ich mir verbitte, das Tor von Elber "brasilianisch" zu nennen

Zugegeben etwas albern, aber: Was würde man sich wünschen, wenn man drei Wünsche frei hätte? Wenn es denn Feen gäbe und man einer solchen begegnen würde? Albern, wie gesagt, und doch haben die meisten von uns – wenn nicht alle – diesen hypothetischen Fall schon einmal für sich durchgespielt. Einmal die Macht zu haben, sich mit allem zu versorgen, was großartig, reich und berühmt macht.

Trotzdem kommen die meisten Wünscher zu der Erkenntnis, daß auch drei freie Wünsche immer einen Haken haben beziehungsweise immer ein Wunsch zu wenig sind. Ich habe dieses Dilemma dahingehend aufgelöst, daß mein erster Wunsch stets lautete: „Zehn zusätzliche freie Wünsche.“ Was ziemlich unbescheiden klingen mag, mich aber – weil ich über ein unbegrenztes Wunschpotential verfügte – in die Lage versetzen würde, auch nachrangige Verlangen sofort zu realisieren. Ich könnte mir zum Beispiel endlich einmal einen zufriedenstellenden Haarschnitt zulegen oder mit dem Schnarchen aufhören. Warum nicht? Kommt ja nicht darauf an.

Für die gerade wieder gestartete Fußball-Bundesliga würde ich die Kommentatoren von Film, Funk und Presse per Wunsch dazu verdonnern, endlich die Lobesvariante „brasilianisch“ zu vermeiden. Warum? Weil's mich ärgert. Weil alles, was nicht schon bei der Ballannahme ausgleitet und in den Dreck fliegt, unter „brasilianisch“ läuft.

Jeder popelige Absatzkick wird sofort dem Repertoire der Brasilianer zugeordnet. Nur zur Information: Den Ball mit dem Absatz weiterleiten, das kann jeder C-Klassen-Kicker! Das kann sogar ich! Für einen Profi ist das so schwierig, wie in der Nase zu bohren. So schlecht ist das Niveau der Bundesliga nun auch wieder nicht, daß man jede läppische Variante gleich als Meisterleistung feiern muß.

Daß es doch geschieht, läßt entweder darauf schließen, daß die Spielebeobachter von ihren Arbeitgebern zur Euphorie zwangsverpflichtet sind, oder aber – was schlimmer wäre – nicht die geringste Ahnung vom Fußball haben. Siehe als letztes und aktuelles Beispiel das Tor des Bayern-Spielers Giovane Elber in Rostock. Ein Tor, das ein Aufheulen sondergleichen nach sich gezogen hat. Gut: Der Torschütze ist Brasilianer, aber war das Tor „brasilianisch“? Von wegen: „Jahrhunderttor“ beziehungsweise im Bild-üblichen Überschwang: „eines der schönsten Tore aller Zeiten!“

Was war überhaupt Sensationelles geschehen? Elber hatte einen krach'-katastrophalen Fehler des Rostocker Keepers Pieckenhagen ausgenutzt. Ihm den Ball an der Eckfahne (!) abgeknöpft und von dort mit Schnitt ins leere Tor befördert. Aus dem Spiel heraus nicht ganz einfach, wenn es Absicht war, aber auch sonst kein unlösbares Problem und „schönstes Tor aller Zeiten“ schon gar nicht.

Abgesehen davon, daß derlei Treffer immer zu einem hohen Prozentsatz vom Faktor Glück leben und eine Rangliste der „Jahrhunderttreffer“ absoluter Blödsinn wäre: schon mal was von Lothar Emmerichs Treffer während der WM 1966 in England gegen Spanien gehört?

War das „brasilianisch“? Vielleicht sogar „brasilianischer“ als Elbers Banane? Können deutsche Spieler überhaupt „brasilianisch“ spielen? Franz „Und die Grundgebühr ist auch schon dabei“ Beckenbauer dürfte dabei über jeden Zweifel erhaben sein. Er beherrschte sowohl den Absatzpaß als auch das super-„brasilianische“ Schlenzen des Balles aus dem Fußgelenk.

Komplizierter liegt der Fall des fußballerisch eher holzschnittartigen Guido Buchwald. Der wurde 1990 anläßlich eines Übersteigers, den man ihm nie und nimmer zugetraut hätte und den er im Achtelfinale gegen die Holländer dennoch zeigte, für sein „brasilianisches“ Spiel gerühmt und hieß von Stund an „Diego“. Nach dem Argentinier Maradona. Spielte nun Diego Maradona „brasilianisch“ oder Guido Buchwald „argentinisch“? Oder beide beides, oder handelte es sich um ein Mißverständnis und Buchwald spielte wie gehabt nicht „brasilianisch“, sondern weiterhin bloß brachialisch...? So wie Töpperwien kommentiert.

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