Das Portrait: Junger Ostler will kein Kopfnicker sein
■ Carsten Schneider
Carsten Schneider machte bisher immer dadurch Schlagzeilen, daß er einfach der Jüngste war. Mit 22 Jahren für die SPD in den Bundestag gekommen, war er der jüngste Abgeordnete aller Zeiten. Die Berichte über ihn glichen Reportagen vom Debütantenball: Carsten Schneider wird von den Pförtnern fast nicht ins Parlament gelassen, Carsten Schneider verläuft sich zwischen Klo und Kantine, Carsten Schneider fährt zum ersten Mal Erste Klasse mit der Bahn, Carsten Schneider sucht ein möbliertes Zimmer in Bonn – „klein, bis 500 Mark warm“.
Jetzt hat der gelernte Bankkaufmann gute Chancen, nicht nur als der jüngste, sondern auch als der aufmüpfigste Abgeordnete in die Geschichte einzugehen. Dabei hat er nicht viel mehr gemacht, als ein Papier zu unterzeichnen. Zusammen mit anderen Jungparlamentariern kritisiert Schneider darin die Arbeit der Bundesregierung. Das Papier wendet sich gegen Konfliktscheu und vermißt „professionelles Koalitionsmanagement“ beim Kanzler. Will es sich da einer mit den Mächtigen verscherzen, bevor er überhaupt angefangen hat, Bonner Luft zu schnuppern? Er habe nicht die Erfahrung gemacht, „daß man abgefrühstückt wird, wenn man sich sachlich einbringt“, sagt Schneider. Überhaupt seien auch andere in der Fraktion „sauer“ gewesen. Die Jungen hätten den Ärger nur öffentlich gemacht.
Außerdem hätten die Leute in seinem Wahlkreis gesagt, „wir wählen dich nur, wenn du in Bonn nicht auch einer dieser Kopfnicker wirst“. Carsten Schneider weiß, wie wichtig die Unterstützung aus seinem Wahlkreis ist: Er ist direkt gewählt. Einen sicheren Listenplatz wollte ihm die thüringische SPD nicht gönnen, auch um den Wahlkreis 300 in Erfurt hat er lange kämpfen müssen. „Es ist schwieriger gewesen, in der Partei nominiert zu werden, als den Wahlkreis zu holen“, hat er nach der Bundestagswahl gesagt. Doch dann erhielt er zwei Prozent mehr Direktstimmen als es Zweitstimmen für die SPD gab. So ein Ergebnis gibt Selbstvertrauen. Den Wahlkampf hat er aus der eigenen Tasche gezahlt, seine Freunde haben ihm dabei geholfen. In Thüringen hat Carsten Schneider schon gelernt, wie man das macht, was er von der SPD-Fraktion noch fordert: „Eigene Akzente setzen“. Till Ottlitz
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