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Das Geheimnis der widerspenstigen Braut

■ In Rafi Pits' „Die fünfte Jahreszeit“ bekommt das Publikum eine starke Frauenfigur, wegen der elende Dorfmachos einen grotesken Krieg führen. Der Film wurde im Iran prompt verboten

Die Mullahs sind sensible Menschen mit einem Feingefühl für erotische Gesten, das uns Europäern völlig abhanden gekommen ist. Da kniet die Heldin eines Films neben einem schlafenden Mann, eine andere Einstellung zeigt ihr Gesicht in Großaufnahme. Iranische Machthaber erkannten hier eine erotische Freizügigkeit, die zu genießen uns leider versagt ist, weil wir die Codes nicht kennen: der Schlafende ist nicht ihr Ehemann, das Gesicht ist unverschleiert.

Olàlà. Die Menschen im Iran, die in der ersten Woche in „Die fünfte Jahreszeit“ strömten, bis der Film verboten wurde, trieb vermutlich nur das keusche Verlangen, endlich einmal eine schwungvolle Komödie zu sehen. Und doch kam es schon während der Vorführungen zu lebhaften Diskussionen im Publikum. Denn es passiert tatsächlich Ungeheuerliches. Regisseur Rafi Pits bindet seinen Humor an eine starke Frauenfigur, die zur Herrschaft geboren scheint.

Die Männer wirken neben ihr jedenfalls ganz schön elend. Der Ort der Handlung, ein uraltes Lehmdorf im persischen Hochland, wurde von Chomeinis Revolution offenbar links liegenlassen. Statt reaktionärer Moderne herrscht eine archaische Familienfehde, deren Ursprünge noch in Nomadenzeiten zurückreichen. Um des Friedens willen hat Mehrbanou Jamalvandi in eine Hochzeit mit dem ältesten Sproß der Kamalvandis, Karamat, eingewilligt. Die Feier platzt, als der die widerspenstige Braut umsonst haben will. Die wirft ihm an den Kopf, sie habe ihm sowieso nur das Leben zur Hölle machen wollen. Es herrscht wieder Krieg, und ein friedliebender Bürgermeister verzweifelt zwischen den Fronten.

Karamat eröffnet den Schlagabtausch mit dem Kauf eines Busses, der das Dorf endlich an die Stadt anbindet. Das Paradies ist nah und die Fehde Schnee von gestern. Selbst mit dem Gewehr im Anschlag gelingt es Mehrbanou bald nicht mehr, ihre Sippe vom Shopping mit dem Erbfeind abzuhalten. Schließlich verkauft sie ihr Feld, investiert in einen eigenen Bus und treibt die Preise nach unten. Ein halsbrecherisches Wettrennen endet in einer wüsten Massenschlägerei – Asterix in Persien oder die Geburt des Kapitalismus und die Notwendigkeit seines Scheiterns in eineinhalb Stunden.

Wichtiger ist aber, daß diese iranisch-französische Koproduktion einen seltenen Einblick in die iranische Gesellschaft gewährt. Das lohnt nicht nur des grotesken Humors und der aufregenden Farben wegen. Rafi Pits gelingt eine sensible Zeichnung iranischer Typen, die unser Bild vom Mullahstaat ein wenig zurechtrücken. So ist die charakterfeste Mehrbanou, die sich von niemandem herumkommandieren läßt, nach Aussage des Regisseurs eine typische iranische Frau. Sollte ihre subversiv rückständige Dorfgemeinschaft ebenso typisch sein, ist es mit der Herrschaft der alten Männer bald vorbei. Philip Bühler

„Die fünfte Jahreszeit“. Regie: Rafi Pits. Mit Roya Nonahali, Ali Sarkhani und anderen, Iran/Frankreich 1997, 80 Minuten

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