: Irlands Armee kämpft gegen Gespenster Von Ralf Sotscheck
Zum Glück ist Irland zur Zeit nicht von einer Invasion bedroht. Die Armee, die das Land im Ernstfall verteidigen müßte, würde wohl nicht mal mit Zinnsoldaten fertig. Neun Zehntel der irischen Soldaten sind taub, weil sie sich bei Schießübungen das Gehör ruiniert haben. Jedenfalls steht das in den Klageschriften auf Schadensersatz (die taz berichtete). Nun haben sie sich Gottes Beistand im Kampf gegen ein Gespenst gesichert.
Im Coolmoney House, das der irischen Armee seit 1922 gehört, ist Ende des vorigen Jahrhunderts eine schreckliche Bluttat geschehen. Damals war das Haus im Besitz der reichen Hutchinson-Familie, und bei einem Empfang schwängerte ein Landadliger das Hausmädchen Nelly. Damit die Sache nicht herauskam, erstach er sie und warf sie aus dem Fenster. Seitdem spukt Nelly im Haus herum, verschiedene Augenzeugen haben sie im Laufe der Jahrzehnte gesehen. Die Hutchinsons verkauften Coolmoney House 1912 an die britische Armee, und nach der Teilunabhängigkeit Irlands fiel das Haus der irischen Armee in die Hände.
Die wußte nicht so recht, was sie damit anfangen sollte. Bis 1990 waren Offiziere dort untergebracht, doch keiner traute sich in das Zimmer 21a, wo das Verbrechen geschehen war. Es gibt dort einen Blutfleck auf dem Holzfußboden, der sich auch mit den schärfsten Scheuermitteln nicht beseitigen läßt. Vor Jahren hat sogar ein Tischler neue Dielen in dem Zimmer gelegt, doch der Blutfleck kam wieder zum Vorschein. Da ließ man das Haus lieber leerstehen.
Vorigen Monat beschloß die Armeeführung, das Haus abreißen zu lassen, doch Kevin Croke, der Kommandant der Kaserne Glen of Imaal, zu der Coolmoney House gehört, bekam in letzter Minute kalte Füße. Seiner 22jährigen Tochter Yvonne ist der Hausmädchengeist nämlich erschienen. Nelly stand am Fenster, Yvonne Croke konnte sie genau beschreiben: 1,65 Meter groß, schwarze, ungepflegte Haare, ein einfaches, weißes Kleid mit einem schwarzen Gürtel. Besondere Kennzeichen: Nelly war durchsichtig.
Die Offizierstochter hat Erfahrung mit Gespenstern. Als Kind unterhielt sich Yvonne Croke gerne mit ihrem toten Großvater, und später sprang ihr im Haus einer Freundin jemand auf den Rücken, obwohl gar keiner in der Nähe war. Vater Kevin nahm die Sache mit Nelly daher ernst und holte den Armeekaplan Declan Foley, der Nelly zur ewigen Ruhe verhelfen sollte. Möglicherweise dachte Croke auch an die Schadensersatzforderungen, sollte ein Soldat dem Gespenst begegnen und wegen psychischer Schäden klagen.
Kaplan Foley leistete ganze Arbeit. Vor 40 Zuschauern – darunter Yvonne Croke, der Nelly während der Zeremonie erneut erschien – betete er für Nellys Seele. Danach spritzte er Weihwasser in jedes Zimmer. Foley hat Erfahrung auf diesem Gebiet: Als er noch Pfarrer in London war, mußte er regelmäßig Gespenster aus Spukhäusern verjagen.
Nelly ward seither nicht mehr gesehen, doch der Armee nützt das wenig: Aus dem geplanten Abriß wird nichts. Durch den Exorzismus ist das Kulturamt auf das Haus aufmerksam geworden und hat es unter Denkmalschutz gestellt. Die Armee sucht nun verzweifelt einen Freiwilligen, der dort Wache schieben will.
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