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E-Mail für die IG Metall

Betriebsrat wegen Nutzung der firmeninternen E-Mail abgemahnt  ■ Von Kai von Appen

Der elektronische Brief zählt heutzutage zu den üblichen Kommunikationsmitteln. Selbst in der Filmromanze E-mail für Dich tauschen Meg Ryan und Tom Hanks ihre Zärtlichkeiten nicht mehr im Brief, sondern übers Internet aus. Doch nicht überall wird die elektronische Post gebilligt. Klaus Brüggemann, Betriebsrat der Firma „Autoliv“ in Elmshorn, wollte Kollegen per E-Mail für die Gewerkschaft werben. Das Unternehmen mahnte ihn daraufhin wegen mißbräuchlicher Nutzung firmen-interner Anlagen ab. Nun muß sich das Elmshorner Arbeitsgericht mit dem werbenden Einsatz neuer Technologien befassen. „Ein spannendes Thema“, meint der renomierte Arbeitsrechtler Klaus Bertelsmann.

Autoliv ist mit 1400 Beschäftigten eines der größten Textilunternehmen Norddeutschlands. Die Firma stellt Sicherheitsgurte für die Automobilindustrie her. Nach der Auflösung der Gewerkschaft Textil und Bekleidung gehört die Textilbranche seit April 1998 zur IG Metall.

In diesen Tagen beginnt erstmals unter der Regie der neuen Muttergewerkschaft eine Tarifrunde für die Branche. Nach Jahren der textilen Lethargie möchte die IG Metall nun Flagge zeigen und rechnet mit einem Arbeitskampf. Um auch die Belegschaft von Autoliv auf die Tarifrunde vorzubereiten, schrieb Betriebsrat Brüggemann in seiner Freizeit ihm namentlich bekannte KollegInnen im Betrieb an – und zwar vom Privat-PC aus, jeweils an die firmeninterne E-Mail-Adresse.

„Ich möchte Euch als Mitglied für die IG Metall gewinnen“, begann sein Schreiben. „Denn nur eine starke Gewerkschaft kann sich bei den bald anstehenden Tarifverhandlungen behaupten.“ Die Unternehmensleitung bekam Wind von der Initiative und mahnte Brüggemann ab. „Gewerkschaftliche Tätigkeiten sind während der Arbeitszeit grundsätzlich nicht zulässig“, polterte sie und drohte mit „arbeitsrechtlichen Konsequenzen.“

Brüggemann nahm das gelassen. Denn die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hält Werbung für die Gewerkschaft während der Arbeitszeit für zulässig. Die Firmenleitung besann sich und mahnte den Betriebsrat dann erneut ab, da er „gegen die anerkannten Internet- bzw. E-Mail Richtlinien verstoßen hat, die ausdrücklich die Nutzung der E-Mail und Internet-Einrichtungen nur für gesellschaftliche Zwecke zulassen.“

Für Brüggemann eine hanebüchene Argumentation. „Dieselbe Wirkung hätte das Absenden einer Massendrucksache per Post gehabt“, meint er. „Wenn diese nun verteilt worden wäre, können sie dem Absender auch nicht vorwerfen, er würde Firmeneinrichtungen wie den Postverteiler mißbräuchlich nutzen.“

Das Elmshorner Arbeitsgericht muß nun bundesweites Neuland betreten. Entscheidend dürfte die Frage sein, ob die E-Mail-Adressen frei zugänglich sind, meint Arbeitsrechtler Bertelsmann. „Wenn man mit Werbung bombardiert werden kann, darf auch die Gewerkschaft sie nutzen“, argumentiert der Jurist. „Man muß eben nur die Namen der Personen kennen.“

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