: Hollywooddeals als Hütchenspiel
■ Hintergründe zum aktuellen Anlaß: die 6teilige Bankenkrimi-Doku "Credit Lyonnais" auf Arte
Ende der 80er Jahre: Giancarlo Paretti, den Inhaber einer maroden Filmgesellschaft, die zweitklassige Serien produziert, zieht es nach Hollywood. Nicht als Schauspieler oder kleinen Produzenten, sondern als ganz großen Macher an der Spitze des legendären Filmstudios Metro Goldwyn Mayer (MGM). Ein absurder Gedanke: Denn MGM, dessen Filmkatalog allein auf eine Milliarde US-Dollar geschätzt wird, wäre nur für mindestens 1,2 Milliarden US-Dollar zu haben. Und wie sollte Paretti, ein ehemaliger Kellner, Hotelbesitzer, Zeitungsverleger, und wegen Konkursbetruges bereits zu vier Jahren Haft verurteilt, an die entsprechenden Kredite kommen? Hatte ihn seine Hausbank, die Crédit Lyonnais (CL), Frankreichs mächtigstes Kreditinstitut, nicht schon als potentiell zahlungsunfähig eingestuft?
Trotzdem verblüfft Paretti Konkurrenz und Kritiker schon 1990 mit dem gelungenen Coup. Gemeinsam mit seinem Partner Florio Fiorini übernimmt er MGM für satte 1,3 Milliarden US-Dollar. Erst später wird klar, daß das, was Paretti und Fiorini nun ihr eigen nennen, nicht viel mehr ist als die leere Hülle dessen, was MGM einmal war. Denn um die Milliardensumme aufzutreiben, hatten die beiden ein Verwirrspiel mit Scheinfirmen, überbewerteten Aktiva und Vor- und Vorvorverträgen aufgezogen, in dem sie sich schließlich selbst verzettelten: Die Mediengiganten Berlusconi, Turner und Time Warner, zwischenzeitlich als Partner gewonnen, staubten den MGM-Filmkatalog ab und stiegen wieder aus. Von dem traditionsreichen Studio blieben Paretti und Fiorini nur der Name, ein paar minderwertige Filme – und unbezahlte Rechnungen. Das Verrückteste jedoch: Den Coup finanziert hatte ausgerechnet die niederländische Tochter der Crédit Lyonnais, die CLBN.
„Das war wie ein Todesurteil“, sagt Jean-Yves Haberer, in dessen Amtszeit als CL-Präsident das Desaster fiel, neun Jahre später. Denn natürlich konnten Paretti und Fiorini die Kredite nicht zurückzahlen, die Bank mußte MGM übernehmen und auch für die folgenden Verluste einstehen: Am Ende hatte die Crédit Lyonnais ein Finanzloch von rund 100 Milliarden Franc, dessen Sanierung jeden französischen Haushalt in den letzten Jahren 5.000 Franc gekostet hat. Und in dieser Woche soll die Privatisierung eingeleitet werden.
Zu diesem Anlaß sendet Arte eine sechsteilige Dokumentation der Journalisten Fabrizio Calvi und Jean-Michel Meurice: „Crédit Lyonnais – Ein moderner Bankenkrimi“. Darin versuchen die beiden die Affären nachzuzeichnen und dabei das Netzwerk wirtschaftspolitischer Verflechtungen zu entwirren. Daß sie auf Sensationsjournalismus und Schuldzuweisung verzichten, macht das Ganze nicht nur besonders anschaulich, es hat den Autoren auch ermöglicht, so gut wie alle Beteiligten vor die Kamera zu bekommen. Noch schöner ist aber eine kleine Idee am Rande: Um eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie Wirtschaftskriminalität funktioniert, wurden sämtliche Transaktionen in einer Art Hütchenspiel nachgestellt, das sie immer wieder zwischen die Gesprächssentenzen schneiden. Und dabei gehen einem dann die Augen auf. Beate Willms
Teil 1–3: Mo–Mi, 20.45 Uhr;
Teil 4: Do, 21.45 Uhr;
Teil 5+6: Fr+Sa, 20.45 Uhr
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