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Werthebach von keiner Kenntnis getrübt

■ In der Auseinandersetzung um die Beteiligung am bundesweiten Modellprojekt zur kontrollierten Heroinabgabe behauptet Innensenator Werthebach (CDU) zu Unrecht, in der Schweiz sei die Beschaffungskrimi

Im Kampf gegen eine fortschrittliche Drogenpolitik schreckt Innensenator Eckart Werthebach (CDU) selbst vor Falschmeldungen nicht zurück. Mit Blick auf das bundesweite Modellprojekt einer kontrollierten Heroinabgabe an Schwerstabhängige, an dem sich nach Willen der zuständigen SPD- Senatorin Ingrid Stahmer (SPD) auch Berlin beteiligen soll, argumentiert Werthebach: „Die Behauptung, daß die staatliche Heroinabgabe die Beschaffungskriminalität senkt, ist weder wissenschaftlich noch polizeilich belegt.“

Werthebach bezieht sich auf Untersuchungen in der Schweiz, wo 1.035 Heroinabhängige drei Jahre lang auf Staatskosten Heroin bekommen haben. „Das Ergebis war eine hochgradige Reduktion der Straftatbestände um bis zu 90 Prozent“, sagte Professor Ambros Uchtenhagen der taz. Der am Züricher Institut für Suchtforschung tätige Mediziner hat das Projekt wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind im Juni 1997 als „Synthesebericht“ erschienen.

Werthebachs Aussagen seien „blanker Unsinn“, so Uchtenhagen. Bei den erhobenen Daten handele es sich keineswegs um bloße Selbstauskünfte der Probanden, wie Werthebach unterstellt. „Sämtliche Selbstauskünfte über das Delinquenzverhalten“ seien mit den Eintragungen des Polizeiregisters der entsprechenden Kantone und dem zentralen Verurteiltenregister abgeglichen worden. Uchtenhagen: „Das Ergebnis war eine weitestgehende Übereinstimmung.“ Der Rückgang der Beschaffungskriminalität sei inzwischen auch in der Züricher Kriminalstatistik deutlich spürbar.

Auch den Vorwurf mangelnder Wissenschaftlichkeit wies Uchtenhagen zurück: „Was soll man dazu noch sagen, wenn jemand die Studie offenbar überhaupt nicht kennt?“ Die Arbeit sei von einer nationalen sowie einer internationalen Expertengruppe der Weltgesundheitsorgansiation (WHO) begleitet und überprüft worden.

Noch immer ist ungeklärt, ob sich Berlin an dem Modellprojekt zur Heroinabgabe beteiligen wird. Am Montag findet in Bonn ein weiteres Treffen zwischen den elf interessierten Städten, den Ländern und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) statt. Dort soll die bislang umstrittene Finanzierung des Projekts besprochen werden. Nach Angaben des BMG ist für den 26. März ein Treffen auf politischer Ebene geplant, an dem die Teilnahme der einzelnen Städte entschieden werden soll. Für eine solche Zusage aber braucht Stahmer das Votum des Senats. Wann dieser zum Thema tagt, ist noch unklar. Plutonia Plarre, Sabine am Orde

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