: „Nächster Gefängnisskandal kommt“
■ Der Kriminalpolitische Arbeitskreis kritisiert den Untersuchungsausschuß zum Knastskandal / Gremium befürchtet Eskalation im Strafvollzug / Justizressort und Politiker weisen Kritik zurück
Der Kriminalpolitische Arbeitskreis Bremen (Kripak) übt harte Kritik an dem Abschlußbericht des Knast-Untersuchungsausschusses. Wolfgang Lesting, Sprecher des Kreises aus Rechtsanwälten, Notaren, Richtern, Hochschullehrern sowie im Strafvollzug Tätigen, attestiert dem Bericht vom 19. Januar „schwere inhaltliche Mängel“. Fazit: „Der nächste Gefängnisskandal kommt bestimmt.“
Wie berichtet, war der Untersuchungsausschuß ins Leben gerufen worden, nachdem der Verdacht entstanden war, daß in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oslebshausen Sexualstraftäter unter Mithilfe von Aufsehern von anderen Gefangenen mißhandelt worden seien. Dazu hatte es mehrere Prozesse gegeben. Zudem mußte Anstaltsleiter Hans-Henning Hoff gehen.
Daß es zu derartigen Zuständen erneut kommt, daß befürchtet jetzt der Kripak. „Die krisenhafte Entwicklung in der Führungsetage der JVA Bremen ist nicht zu übersehen. Zum Teil sind die MitarbeiterInnen unerfahren und überfordert, zum anderen Teil abgewirtschaftet und müde.“ Kritisiert wird zudem, daß selbst vom Ausschuß aufgezeigte Mängel, wie die Geld- und Personalnot, „nicht beseitigt werden“. Alles in allem kommt der Arbeitskreis zu dem Ergebnis: „Es steht zu befürchten, daß sich die ungelösten Probleme an unerfreulicher Stelle entladen werden. Hungerstreikaktionen gab es schon: Andere Proteste werden nicht auf sich warten lassen.“ Zumal Hoff-Nachfolgerin Ines Kalisch zu unerfahren sei.
Dem Untersuchungsausschuß selbst schreiben die streitbaren Arbeitskreisler ins Stammbuch, daß er „eingeschlafen“ wäre. Zudem seien die Mitglieder mit einem völlig falschen Vorverständnis an die Arbeit gegangen. So stelle man in dem Abschlußbericht die Sicherheitsverwahrung und nicht die Resozialisierung in den Vordergrund. „Der Hintergrund für all dies ist der, daß die große Koalition den Skandal absichtlich hat einschlafen lassen“, sagt Leisting vom Kripak. „Das gleiche gilt für den zuständigen Staatsrat Ulrich Mäurer, der nur darüber nachdenkt, wie er Schaden von seinem Senator Scherf abwenden kann.“
Lisa Lutzebäck, Sprecherin der Justizbehörde, bezeichnet das Kripak-Papier als „unhaltbar“. Im Gegenzug zu den genannten Mängeln könne das Justizressort eher mit einer positiven Bilanz aufwarten. So habe es in der Vergangenheit keinen Suizidfall mehr gegeben. Auch Ausbrüche seien unterbunden worden. „Zusätzlich stellen wir zum 1. April 24 neue Azubis für den mittleren Dienst ein und 15 Mitarbeiter für den einfachen Dienst.“ Chaotische Zustände in irgendwelchen Anstaltsbereichen oder mangelnde Erfahrung der neuen Leiterin der JVA Oslebshausen wies Lutzebäck auf das Schärfste zurück.
Auch aus der Politik kam Kritik an dem Kripak-Bericht. Helmut Pflugradt, der für die CDU im Untersuchungsausschuß gesessen hat, verwies gestern darauf, daß bereits etliche Verbesserungen umgesetzt worden seien. „Zudem darf man nicht vergessen, daß wir den Abschlußbericht gerade erst vorgelegt haben.“ Karoline Linnert von den Grünen nannte einige Punkte des Kripak-Papiers sogar „rechtlich nicht haltbar“. Sie bezieht sich dabei auf die Regelung zum offenen Strafvollzug. „Außerdem haben wir im Untersuchungsausschuß jede Menge Verbesserungen und Forderungen an das Justizressort formuliert. Die jetzige Kritik ist nicht berechtigt. Der Kripak soll sich lieber konstruktiv mit uns auseinandersetzen.“ Jens Tittmann
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