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■ Die Berliner Grünen sind noch nicht hauptstadtfähig

Die Berliner Grünen müssen eine neue Rolle finden – und sie sind darauf in keiner Weise vorbereitet. Seit Rot-Grün in Bonn an den Schalthebeln sitzt, gerät der Berliner Landesverband immer häufiger in die Situation, zu bundespolitischen und internationalen Fragen Stellung beziehen zu müssen. Eine ungewohnte Situation, zumal die Grünen sich aufgrund der Insellage der Stadt traditionell wenig mit Bundespolitik befaßt haben.

Die Erklärung des grünen Landesvorstandes zur Bombardierung Jugoslawiens durch die Nato offenbart, daß die Grünen derzeit überfordert sind. Der Nato-Einsatz, der auch von Außenminister Joschka Fischer mitgetragen wurde, ist mit grünen Überzeugungen nur schwer zu vereinbaren. Jede Reaktion darauf mußte eine Gratwanderung sein. Doch dem Landesvorstand ist diese gründlich mißglückt.

Das Ergebnis ist mangelnde Souveränität im Umgang mit heiklen Themen. Zu staatstragend fallen die Erklärungen aus dem grünen Landesvorstand aus. Zwar machen es sich auch die linken Grünen zu leicht. Mit der bloßen Verurteilung der Nato-Angriffe läßt sich das Dilemma auch nicht lösen. Wer aber angesichts der Bomben wie am Donnerstag von einer „schwer zu ertragenden Zuspitzung des Konflikts“ spricht und dann noch suggeriert, das Elend der Flüchtlinge erfordere nun ein „ernsthaftes Eingreifen“, offenbart seine Hilflosigkeit. Solche ungeschickten Erklärungen sind allenfalls dazu angetan, auch hartgesottene Grünen-Anhänger zu entfremden.

Die Grünen müssen sich schleunigst über ihre künftige Rolle verständigen und sich auch inhaltlich fit machen für die neuen Anforderungen. Noch sind sie nicht hauptstadtfähig. Der Berliner Landesverband wird in Zukunft noch stärker im Scheinwerferlicht stehen. Wenn Joschka Fischer erst einmal in seinem Berliner Amtssitz in Mitte residiert, wird dem Landesverband noch viel stärker eine Vermittlungsrolle zuwachsen. Einerseits muß der grünen Basis erklärt werden, daß auch ein grüner Außenminister nicht aus Nato-Verträgen herauskann. Andererseits muß vermittelt werden, daß trotz derartiger Sachzwänge grüne Grundüberzeugungen nicht zur Disposition stehen. Dorothee Winden

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