: Bestechungsangebot für Naturschützer?
■ Naturschützer wegen Bau des Emssperrwerkes zerstritten: BUND, NABU und WWF trafen sich in Bremen heimlich mit Betriebsrat der Meyerwerft / Lassen sie sich ihre Klage abkaufen?
Während der gerichtlich verfügte Stopp gegen den Bau des Emssperrwerkes bei Gandersum weiter besteht, droht der Zusammenhalt der Sperrwerksgegner in die Brüche zu gehen. „Wir fühlen uns total verarscht. WWF, NABU und BUND haben hinter dem Rücken von uns Sperrwerksgegnern vor Ort mit der Meyerwerft verhandelt“, schimpft der Gandersumer Pfarrer Günther Faßbender. Ein klärendes Gespräch mit WWF, NABU und BUND sagten die Ostfriesen ab.
Am Montag letzter Woche saßen die ostfriesischen Bürgerinitiativen zusammen und diskutierten ein Schlichtungsangebot, das der NABU Präsident Jochen Flasbath in der Frankfurter Rundschau der Meyerwerft gemacht hatte. Diese Aussage verstanden die Naturschützer vor Ort als Rückzug des NABU aus dem Kreis der Sperrwerksgegner. Was die Gandersumer nicht wußten: Noch während sie über ihr weiteres Vorgehen berieten, trafen sich in Bremen Vertreter von BUND, NABU und WWF mit dem Betriebsrat der Meyerwerft. „Der Betriebsrat hatte uns eingeladen. Wir wollten mal miteinander reden,“ spielt Holger Wesemüller vom WWF das Treffen herunter.
„Es gibt hier das Gerücht,“ so Pastor Faßbender, „daß sich die Naturschutzverbände für 20 Millionen Mark ihre Klage gegen das Sperrwerk von der Landesregierung abkaufen lassen.“ Dazu Holger Wesemüller vom WWF zurtaz: „Das ist völliger Blödsinn. Wir haben dem Meyer–Betriebsrat klar gesagt, daß sich an unserer ablehnenden Haltung gegen das Sperrwerk nichts geändert hat.“ Warum sich die Verbände aber trotzdem und unter Ausschluß der Öffentlichkeit mit Vertretern der Meyerwerft getroffen haben, erklärt Wesemüller so: „Ich bin mir bewußt, daß unser Verhalten Anlaß für Spekulationen bieten kann. Aber für den Fall, daß Bernhard Meyer wegen der Aussichtslosigkeit des Sperrwerkbaues Entscheidungen treffen sollte, die gegen die eigene Belegschaft gerichtet sind, wollen wir der Belegschaft wenigstens konstruktive Alternativen aufgezeigt haben.“
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte vor Wochen den Baustopp gegen das Sperrwerk verfügt. Der Bau ist sowohl als Maßnahme für den Küstenschutz als auch als Stauwerk zum Stauen der Ems ausgelegt. Die Meyerwerft braucht den Emsstau, um große Schiffe von der Papenburger Werft an die Küste schleppen zu können. Trotzdem hatte die Bezirksregierung Weser Ems den sofortigen Bau nur als Küstenschutzmaßnahme angeordnet. Dies sei, so urteilte das OVG Lüneburg, nicht rechtmäßig. Daraufhin hatte die Bezirksregierung die Sperrwerksplaner aufgefordert, einen neuen Bauantrag zu stellen. Diesmal sollten sowohl die Küstenschutz- als auch die Staufunktion herausgestellt werden. Dieser neue Antrag liegt aber immer noch nicht vor. „Wir sind selbst nicht klageberechtigt, aber wir unterstützen mit allen Mitteln auch die Klage von BUND und NABU gegen den zweiten Antrag“, stellt WWF-Wesemüller klar. Und weiter: „Wir sind fest davon überzeugt, daß der Bau europäisches Naturschutzrecht mißachtet.“
Vor allem gegen den NABU hegen Naturschutzinitiativen Mißtrauen. Der NABU hat als einziger Verband materielle Interessen in der Region. Bei mehreren Vorhaben, etwa der ökologischen Bewirtschaftung eines Bauernhofes und einem Forschungsprojekt über Wildgänse, ist der NABU auf Landesmittel angewiesen. Neben Werftenchef Meyer gilt der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD) den Naturschutzverbänden als Blockierer einer alternativen Lösung zum Sperrwerk. Vor kurzem hatte Glogowski dem Vorschlag der Verbände, die Meyerwerft teilweise ins benachbarte Emden zu verlagern, heftig widersprochen. Man könne der Belegschaft die Anreise nicht zumuten, so Glogowski. „Das ist zynisch“, meint Wesemüller, „Ostfriesland ist eine typische Pendlerregion.“ Thomas Schumacher
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