Friedenskundgebung auf dem Alex endet mit Gewalt

■  Wegen Hakenkreuz-Schildern stürmt Polizei PDS-Kundgebung gegen den Kosovo-Krieg. PDS fordert politisches Nachspiel. Parteilose treten bei der PDS ein

Die Kundgebung der PDS für Frieden im Kosovo ist am Samstag mittag auf dem Alexanderplatz mit Gewalt zu Ende gegangen. In Dutzender-Formationen rannten am Schluß der Veranstaltung Polizisten in Kampfanzügen in die Menge der Demonstranten, weil - so die offizielle Begründung - einzelne Demonstranten Schilder mit Hakenkreuzen gezeigt hatten.

In der emotionalen und aufgeheizten Stimmung unter den zahlreichen Serben, Autonomen und PDS-Anhängern wirkten die mit Schlagstöcken bewaffneten Polizisten wie der Funke am Pulverfaß. Viele Demonstranten rannten Richtung Polizisten, es kam zu Prügeleien. Bierdosen und Stöcke flogen, nach Angaben der Polizei auch Steine. Ergebnis: 15 festgenommene Demonstranten und acht verletzte Polizisten. Laut Polizei wurde kein Demonstrant verletzt.

Mehr als eine Stunde lang verlief die Kundgebung gegen den Nato-Einsatz in Ex-Jugoslawien friedlich. Mehrere 1000 Kriegsgegner, die PDS sprach sogar von 20.000, hatten sich versammelt. Zunehmend füllten auch Jugoslawen den Platz. Manche zeigten Fotos vom serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Immer wieder skandierten sie: „Yugoslavia, Yugoslavia.“ Auf einigen Plakaten wurden Clinton und Schröder mit Hitler verglichen und Hakenkreuze gezeigt. Die Polizei wollte sich gestern zu ihrem Einsatz nicht deutlich äußern. Das Zeigen „verfassungsfeindlicher Symbole“ sei strafbar, deshalb habe die Polizei einschreiten müssen. Warum gleich an die 100 Polizisten in martialischen Anzügen auf den überfüllten Platz rannten, erläuterte der Polizeisprecher nicht.

Die PDS sieht den Polizeieinsatz wesentlich kritischer. Sie hätten gehört, berichtete Parteisprecher Hanno Harnisch der taz, wie Polizisten untereinander abgesprochen hätten: „Egal, was passiert, zum Schluß gehen wir rein.“ Es sei also klarer Wille gewesen, die Demo gewaltsam aufzulösen. Die Polizei habe dann versucht, einen Kessel zu bilden, sagte Harnisch. Der Parteisprecher rief immer wieder übers Mikrofon: „Keine Gewalt!“ Er forderte die Polizei sowie die Demonstranten auf, friedlich den Platz zu verlassen. Erst nach den Festnahmen zog sich die Polizei zurück und löste sich die Versammlung auf.

Die PDS fordert jetzt ein politisches Nachspiel. Heute will die Fraktion ihr weiteres Vorgehen bekannt geben. Harnisch kündigte gestern schon an, daß sich nach dem Willen der PDS der Innenausschuß des Abgeordnetenhauses mit dem Polizeieinsatz beschäftigen soll. Die Polizei wies die Vorwürfe der PDS energisch zurück.

Die Anti-Kriegs-Haltung der PDS hat zudem auch politische Folgen gezeitigt. Sechs bislang parteilose Landespolitiker, die größtenteils bereits für die PDS Ämter innehatten, traten am Wochenende der Partei bei. Dazu gehören der PDS-Abgeordneten Harald Wolf, Giyasettin Sayan und Marion Seelig sowie der Baustadtrat von Mitte, Thomas Flierl. Sie erklärten, daß die Nato einen Angriffkrieg führe unter Mißachtung von Völkerrecht und Grundgesetz. Weil die PDS, die einzige Partei sei, die „gegen diesen kriegsbefürwortenden Konsens ihre Stimme erhebt“, sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, ihr beizutreten. Jutta Wagemann

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