■ Eine Ausweitung des Krieges nutzt auch dem Kosovo nicht
: Bodentruppen – die falsche Arznei

Eine Woche nach Beginn der Nato-Luftschläge gegen Serbien ist klar: Das Mittel wirkt nicht. Nimmt man jetzt stärkere? Fragen Sie Ihren Apotheker, er wird Ihnen abraten. Militärischer Logik hingegen entspricht das Eskalationsrezept durchaus: Wenn Krieg die Fortsetzung der Politik ist, gilt es, alles daran zu setzen, ihn zu gewinnen. Es gibt keinen Krieg, den die Nato, muskelbepackt, wie sie ist, nicht gewinnen könnte. Aber um welchen Preis?

Die Nato-Verteidigungsminister haben den nachgeordneten Generälen im Militärausschuß eine exakte Frage gestellt: Wie viele Soldaten brauchen wir, um im Kosovo gegen den Willen Belgrads und die jugoslawische Armee politische Kontrolle zu übernehmen? Das war am 11. Juni 1998. Ende Juli kam die Antwort: 200.000 Mann, erstklassig ausgerüstet und bewaffnet. Eine stolze Zahl, aber kein falscher Rat.

Jeder Staat, der seine Soldaten in einen Interventionskrieg schickt, muß darauf bedacht sein, sie vollzählig und so unversehrt wie möglich zurückzuerhalten. Der Griff zum nächstgrößeren Kaliber, zur nächstschwereren Waffe wäre ein Gebot der Klugheit. Und das noch blutigere Schlachtfeld die unausweichliche Folge.

Aber selbst die mächtige Nato könnte eine so kopfstarke Streitmacht nicht aus dem Hut zaubern. Die Mannschaften müßten aus ihren Garnisonen in das Einsatzgebiet gelangen. Zum Verlegen des schweren Geräts kommt nur der Seeweg in Frage. Zwischen Marschbefehl und Feuerbereitschaft läge eine Zeitspanne, die eher nach Monaten als nach Wochen zu veranschlagen wäre. Ob es dann noch Menschen gäbe im Kosovo, die gerettet werden könnten?

Als Monopolist in Sachen Krisenbewältigung in Europa ist die Nato eine Fehlbesetzung. Sie gebietet über ein einziges Konfliktinstrument, dieses jedoch im Übermaß: militärische Macht. Bei den herkömmlichen Staatenkriegen von gestern war das nützlich, für ein hochkomplexes Nationalitätenproblem reicht es nicht aus. Solange der Westen den Beweis schuldig bleibt, die politischen Spielräume, dem Blutvergießen in der Balkanprovinz ein Ende zu setzen, auch ausschöpfen zu wollen, hat er kein Recht, die nächste Torheit zu begehen.

Geht es wirklich um die Menschen, um die Opfer von Haß und Fanatismus? Geht es um den Weg, ihnen schnellstmöglich zu helfen? Dann heißt das Gebot der Stunde: zurück zur Zivilität, zurück an den Verhandlungstisch. Besser heute als morgen. Reinhard Mutz

Stellv. Direktor des Friedensforschungs-Instituts in Hamburg