: Fünfgeteilt – und doch eins
■ Microsoft gibt sich eine neue Struktur, die sich näher an Kunden und Wettbewerbern orientiert. Mit dem Kartellverfahren, beteuert der Software-Gigant, habe das nichts zu tun
Inzwischen arbeiten schon 30.000 Informatiker und Betriebswirte für Bill Gates und stricken an neuer Software rund um das Betriebssystem Windows. In einem Interview hatte Microsoft-Präsident Steve Ballmer bereits geklagt, „Bill Gates und ich stehen im Zentrum von zu vielen Dingen“, nun zogen er und seinChef Bill Gates die Konsequenz daraus und krempelten ihren Konzern mächtig um: Künftig wird Microsoft in fünf möglichst eigenständige Abteilungen untergliedert, die sich nicht mehr an den Produkten, sondern an der Kundenstruktur des Konzerns orientieren sollen. Das gaben Gates und Ballmer am Montag im Microsoft-Hauptquartier in Redmond bei Seattle bekannt. Microsoft teilt sich in fünf Teile – und bleibt doch eins. Keineswegs solle damit eine mögliche Zerschlagung des Konzerns im Zuge des Kartellrechtsverfahrens vorbereitet werden, betonte Ballmer. Allerdings sollen die Chefs der neuen Abteilungen „soviel Verantwortung haben wie jeder andere in einer unabhängigen Firma“.
Gestern sollten in einem New Yorker Büro des Justizministeriums die außergerichtlichen Verhandlungen über einen Vergleich im Kartellprozeß gegen Microsoft beginnen. Der Zeitpunkt der Verlautbarung ist also sicher kein Zufall, wenn auch kein Zeichen für ein Nachgeben Microsofts. Vielmehr setzt Gates damit selbstbewußt ein Signal für seine Unbeugsamkeit: Nach dem Motto: Seht her, 19 Bundesstaaten und die Bundesregierung klagen gegen mich wegen Wettbewerbsbehinderungen, aber ich mache meinen Konzern noch wettbewerbsfähiger. Ein schneller Vergleich im Prozeß gilt als unwahrscheinlich.
Mit den fünf neuen Abteilungen organisiert sich Microsoft nicht nur in Orientierung an seinen Kunden, sondern auch an seinen Konkurrenten: Die erste Abteilung konzentriert sich auf die Windows-Weiterentwicklung für Netze sowie auf Unternehmenslösungen und zielt damit auf die Konkurrenten Sun mit „Solaris“, Novells „NetWare“ sowie das kostenlose Betriebssystem Linux.
Die zweite Abteilung konzentriert sich auf Produkte für Software-Entwickler, mit den Konkurrenten Oracle, IBM und Sun. Die dritte Gruppe zielt auf Software für Manager und auf Wettbewerber wie IBM oder die Firma 3Com, die handliche Kleincomputer mit eigener Software verkauft.
Die Konsumenten- und Handelsabteilung will besonders die Internetgeschäfte des Microsoft Networks gegen die mächtigere Konkurrenz von AOL und Yahoo! ausbauen. Dieses Marktsegment hatte Microsoft lange unterschätzt.
Und schließlich soll die fünfte Abteilung „Konsumenten Windows“ sich um den Massenmarkt kümmern – zum Beispiel mit Spielen und Nachschlagewerken.
Nach Einschätzung von Analysten ist dies die bisher größte Umstrukturierung des Software-Giganten. Matthias Urbach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen