■ Wird Rußland in eine Konfrontation mit dem Westen gezwungen?: Mehr als verbale Aufrüstung
Eines zeigt der Krieg gegen Jugoslawien: Gerüchte sind hartnäckig. Das gilt auch für die Ankündigung des russischen Parlamentspräsidenten Gennadi Selesnjow, Präsident Jelzin habe befohlen, Raketen auf Nato-Staaten zu richten. Obwohl umgehend vom Generalstab dementiert, zeigt sie, unter welchem innenpolitischen Druck Regierung und Präsident derzeit stehen. Denn mit ihren Bombardements liefert die Nato Rußlands Chauvinisten und Kommunisten genau die Munition, auf die sie lange gewartet haben. Zufällig ist auch nicht, daß nun die mausetote slawische Union zwischen Weißrußland und Rußland um Jugoslawien erweitert werden soll. Auch das paßt gut ins Konzept von Weißrußlands Präsident und Sowjetnostalgiker Lukaschenko samt seinen Freunden, den roten Gouverneuren im Süden Rußlands.
Nun kann man die jüngsten Moskauer Reaktionen als rein verbale Aufrüstung abtun. Nur zu gerne wird das Argument bemüht, Rußland könne sich eine Verschlechterung der Beziehungen zum Westen nicht leisten. Die Frage ist aber nicht, ob sich Rußland das leisten kann, sondern vielmehr, ob die Kosovo-Krise eine Konfrontation mit dem Westen nicht geradezu erzwingt. Ex-Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hat darauf hingewiesen, daß für eine Befriedung des Balkans die konstruktive Wirkung Rußlands unverzichtbar sei. Diese Erkenntnis scheint noch nicht durchgedrungen zu sein. Da nützt es auch nichts, wenn der selbsternannte außenpolitische Experte der CSU, Edmund Stoiber, plötzlich Rußland als wichtigen Vermittler in der Krise ausgemacht hat und Moskau eine diplomatische Initiative im UN-Sicherheitsrat empfiehlt. Oder glaubt vielleicht jemand noch allen Ernstes, die UNO, vor den Luftangriffen ausgebootet, würde jetzt in den Entscheidungsprozeß einbezogen? Barbara Oertel
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