Kommentar: Doppelte Spaltung
■ Die Grünen stecken in der Klemme
Die Stimmung in der Bonner grünen-Spitze läßt sich mit einem Wort beschreiben: Muffensausen. Muffensausen vor allem vor sich selbst. Der Krieg auf dem Balkan und die NATO-Intervention legt gleich eine doppelte grüne Spaltung frei. Innerhalb der Partei wie zwischen den Grünen und ihren Wählern. Intern stehen sich Befürworter und Gegner fast gleich stark gegenüber. Die Argumente sind ausgetauscht, Bewegung ist kaum feststellbar. Gleichzeitig lehren uns Meinungsumfragen, daß der Prozentsatz der Befürworter einer Intervention bei den Wählern der Grünen - verglichen mit den Anhängern anderer Parteien - der größte ist.
Nun könnte sich rächen, wie wenig politisch die hochpolitische Diskussion um Krieg und Frieden in weiten Teilen der Partei geführt wird. Nun könnte sich rächen, daß allzu oft Fragen der eigenen politischen Identität und Moral und der Wunsch nach einer fleckenfreien, am allerliebsten schmutzabweisenden, persönlichen Biographie gerade von Grüns allzu oft über die Antwort auf die realen Verhältnisse im Kosovo gestellt wird. Genau die aber wird erwartet. Und zwar von den Wählern. Denen eine rein moralische Position nach Vertreibung und Völkermord nur schwer zu vermitteln ist.
Im Mai ist Sonderparteitag. Dann muß entschieden werden. Mit ein wenig Ungeschick und der entsprechenden hochmoralinen Grundhaltung, die bei den Grünen-Mitgliedern getrost vorausgesetzt werden darf, könnten sich die frischgebackenen Regierungs-Koalitionäre schon im nächsten Monat selbst im politischen Nichts verschwinden lassen.
Jochen Grabler
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