: Wenn Onkel Tom feiert ...
■ ... kommt außer einem gewissen Neil Young die ganze Muckerfamilie zum Fest: Tom Redeckers „Electric Family“ präsentierte jetzt ihre neue Schallplatte „Tender“
Es hätte auch eine geschlossene Veranstaltung sein können. Erstens war es im Kairo nicht übermäßig voll. Zweitens dürften die Anwesenden fast alle selbst Musikusse gewesen sein, die wiederum nicht zu einem geringen Teil auch noch auf der zu feiernden Platte „Tender“ zu hören waren. Mit den Mitwirkenden dieser neuen Platte von Tom Redeckers „Electric Family“ müßte das Kairo zumindest halbwegs zu füllen sein.
Tom Redecker, der Mann, der ganz ohne Frage das Oberhaupt dieser Familie ist, treibt sich seit Urzeiten in der Szene umher und kennt einen ganzen Haufen Leute. Die lassen es sich nicht nehmen, sich auf einer Platte wie „Tender“ zu verewigen. Neben dem Kern der Band, bestehend aus Redecker, auch nicht ganz unbekannt als The Perc (traf früher regelmäßig einen Hidden Gentleman), dem notorischen Peter Apel (bei der Record-Release-Party am Wochenende mit Stirnband und Indienhemd), Harry Payuta an Bass und Didgeridoo, Schlagzeuger Torsten Glade und Volker Kahrs, der in grauer Vorzeit schon bei Grobschnitt spielte, sind auf „Tender“ noch massig Leute zu hören, deren Namen zumindest in Bremen einen gewissen Klang haben: Evelyn Gramel, Rolf Kirschbaum, Tex Morton (Ex-Lolitas), Hagen Liebing (Ex-Ärzte) und und und ... Irgendwo auf der Platte erzählt – es ist kaum zu glauben – sogar ein gewisser Neil Young von den Vorzügen des Landlebens!
Letzterer feierte nicht mit, aber ansonsten waren fast alle da. Besonders euphorisch fiel diese Feier allerdings nicht aus, was ein wenig überrascht, schließlich ist „Tender“ bei der Plattenfirma „absoluter Schwerpunkt im Mai, Juni und Juli“, wie der Waschzettel in einschlägiger Prosa anmerkt. Andererseits wäre wegen des zumeist gesetzteren Alters der Schaffenden eine allzu überschwengliche Ausgelassenheit vielleicht auch nicht zu erwarten gewesen.
Es war eher eine, haha, familiäre Feier, die die elektrische Familie da feierte. Wie gesagt, alles Mucker und Verwandte, die da erst einmal einen Film über die Herstellung des zu befeiernden Albums schauten, in dem Tom Redecker aus dem Nähkästchen plauderte, und Musiker bei der Arbeit zu sehen waren.
Danach spielte die Band. Ganz gelassen enterten die Musiker die Bühne. Zuerst Payuta, der eine Weile allein mit dem Didgeridoo war, dann nach und nach die anderen, sich behutsam auf die Vorlagen der bereits Spielenden beziehend. Daß bei so einer Besetzung handwerkliche Mängel ausblieben, konnte verlangt werden. Daß der Rock der Electric Family gleichzeitig nicht über eine schwelgerische Version von folkigem Hippie-Fantasy-Gesumms herauskam, paßte ganz gut zum Abend. Daß The Perc Tom Redeckers Englisch auch nach all den Jahren noch deutlich den Charakter einer Fremdsprache vor sich herträgt, ist möglicherweise stilbildende Maßnahme des sonor intonierenden Songwriters. Es stört auch nicht sonderlich, ist eher lustig, weil es ein Stehvermögen unterstreicht, das wohl dafür sorgen wird, daß der Mann auch noch in zwanzig Jahren die Seinen um sich scharen und eine Platte machen wird. Genug Leute kennt er schließlich. Und die werden ganz sicher auch dann noch einen kleinen Club zum Zwecke eines Konzerts der Electric Family oder so ausfüllen und Bier um Bier einen gemütlichen Abend daraus machen. Los Mensch, mach noch 'n Solo! Andreas Schnell
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen