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Warm anziehen heißt es jetzt beim Meister

■ Der 1. FCK saust weiter jenen Tiefen entgegen, aus denen der HSV gerade kommt

Hamburg (taz) – „In diesem Stadion können wir jeden schlagen“, rief Bernd Hollerbach nach dem nie gefährdeten 2:0-Sieg des Hamburger SV gegen den amtierenden deutschen Meister 1. FC Kaiserslautern aus und meinte keineswegs nur die anderen Bundesligaklubs. Während Otto Rehhagels Beelzebuben nach der jüngsten Pleitenserie mit zuletzt einem Punkt in fünf Spielen gar um einen Platz im Uefa-Cup bibbern müssen, schicken sich die Hamburger an, einen solchen zu ergattern. Nach sieben Spielen ohne Niederlage stehen die Rothosen nur noch sechs Zähler hinter dem 1. FC Kaiserslautern.

Seit der HSV sich an den Sportrechtemakler Ufa gebunden hat, entwickelt sich zweifellos ein Potential, doch der Weg nach Europa ist noch weit. Zumindest das Stadion soll in der nächsten Saison fertig und somit eurokompatibel sein – schmuck wird es werden, mit viel Glas drumherum und Bistroständen statt Bierschlangen.

Gegen europäische Spitzenvereine, die den HSV einst fürchteten, würde der Klub aber sicher immer noch fürchterlich auf die Nuß kriegen, auch wenn Werder-Trainer Magath dem Team die „beste Innenverteidigung der Bundesliga“ attestiert. Es fehlt vor allem ein Spielmacher.

Wenn der gelernte Metzger Hollerbach die Offensive antreiben muß, ist dies eher ein Indiz für die spielerische Armut der Zentrale (Grammozis, später Doll). Torschütze Kirjakow darf wohl nicht bleiben, Yeboah merkt man zunehmend das Alter an. Mit einem Anelka oder Inzaghi kann sich der ehemalige Weltklassestürmer, der auf die 40 zugeht, nicht mehr messen. Die geplante Vertragsverlängerung mit Doll klingt nach einer Herzenssache, sportlich erscheint sie unsinnig. Beim HSV gehört die Zukunft der Jugend. Es ist ein Augenschmaus zu sehen, wie selbstsicher und technisch ausgereift der 19jährige Fabian Ernst den Libero vor der Abwehr spielt.

Der HSV habe „nichts Gutes“ zugelassen“, lobte Otto Rehhagel nach dem Match, sei eindeutig besser gewesen und habe „alle Zweikämpfe gewonnen“. Alle? Na ja, fast alle. Was der Meister so bot, läßt vermuten, man sei gegen Ende der Saison mit einem Nichtabstiegsplatz zufrieden. Der HSV dominierte das Spiel in allen Phasen. Daß dies schon lange nicht mehr vorgefallen ist, spricht gegen den Gegner. Libero Ramzy war ein Unsicherheitsfaktor, hatte das zweite Hamburger Tor mitzuverantworten. Was Sforza taktisch darstellen sollte, weiß wahrscheinlich nur der Trainer. In den Spitzen war Rösler bemüht, aber effektlos, bei Marschall fehlte gar ersteres. Die übrigen spielten Vermeidungsfußball, lediglich der eingewechselte Ballack ließ erkennen, wozu er imstande ist, und Wagner knallte einen seiner gefürchteten Freistöße an die Latte. Da führten die Hamburger schon 2:0.

Beim 1. FC Kaiserslautern brennt ob der sportlichen Talfahrt ein wenig die Lunte. Ciriaco Sforzas Abwanderungsgedanken werden als Erfindungen der Journaille dementiert. Aufsichtsratchef „Atze“ Friedrichs übt sich derweil in Metaphorik. Es würden Steine geworfen, die Wellen verursachen, würde dann eine Blase erscheinen, pieksten gewisse Leute hinein. Nun gut. Immerhin hatte er letzte Woche selbst einen Kiesel ins Wasser gestupst und über Olaf Marschall gesagt: „Wenn der Olli weiter so wenig läuft, bring ich ihm einen Mantel vorbei, damit er nicht friert.“ Bekleidungsexperte Friedrichs hatte richtig beobachtet. Der düpierte Marschall lief auch in Hamburg nicht viel, ist dafür aber jetzt beleidigt.

Bei den Hamburgern hingegen ist Burgfrieden eingekehrt. Nach jahrelangen Stänkereien von allen Seiten – vor zwei Monaten wurde zuletzt die Trainerfrage diskutiert – hat es der sportliche Aufwind gerichtet. Martin Sonnleitner

1. FC Kaiserslautern: Reinke – Ramzy – Koch (20. Schäfer), Samir, Wagner – Reich (46. Ratinho), Riedl, Sforza, Schjönberg (51. Ballack) – Marschall, Rösler

Zuschauer: 26.212; Tore: 1:0 Yeboah (37.), 2:0 Kirjakow (47.)

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