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Hälfte der Bürgerbitten (nicht) erhört

■ Petitionsausschuß der Bürgerschaft legt Zweijahresbericht vor / Immer noch keine grundlegenden Reformen im Petitionsrecht

Bei rund 60 Prozent der Petitionen habe man den „Stein der Weisen“ gefunden, freute sich gestern Horst Ochs (AfB). Der Vorsitzende des Petitionsausschusses zog am Montag Positiv-Bilanz – sein Fazit nach zwei Jahren Petitionsarbeit und damit insgesamt 386 Bitten und Beschwerden aus der Bevölkerung an das Bremer Parlament: Mehr als der Hälfte aller Bittsteller konnte bei ihren Anliegen geholfen werden.

Seit nunmehr 150 Jahren können sich BremerInnen mit Wünschen und Kritik über den Petitionsausschuß an ihre Volksvertreter wenden. Die vorgebrachten Probleme seien nicht weltbewegend, aber für den einzelnen Bürger oft einschneidend, erklärte der Vorsitzende. So konnte der Ausschuß zum Beispiel im Streit mit einer Krankenkasse vermitteln – und das von einer Kasse vorab abgelehnte Reha-Dreirad doch noch durchsetzen. Ein andermal wurden Schülerinnen unterstützt, die in ihrer Schule ihren Anspruch auf Unterricht im Mädchenfußball durchsetzen wollten.

Allerdings: In 168 Fällen, also knapp der Hälfe, konnte der Ausschuß gerade nicht helfen. Auf diesen Mißstand hatte schon voriges Jahr das grüne Petitions-Ausschuß-Mitglied Christine Bernbacher hingewiesen. Sie hatte den Ausschuß zum 150jährigen Geburstag als „zahnlosen Tiger“ bezeichnet: „Unpolitische Entscheidungen laufen glatt durch, aber immer wenn es tatsächlich um etwas geht, wie zum Beispiel Asylrecht, haben wir keinen Spielraum“. Auch Reinhard Bockhofer von der Vereinigung zur Förderung des Petitionsrechts kritisierte, daß die „Mehrheitsfraktionen im Petitionsausschuß nach parteipolitischen Gesichtpunkten“ abstimmten – und hielten damit der Regierung den Rücken frei.

Das Petitionsrecht wurde nun zwar novelliert. Aber offenbar immer noch nicht grundlegend: Laut Ausschußvorsitzendem Ochs haben die zuständigen Senatoren dem Ausschuß ihre Gründe bei einer Ablehnung mündlich statt schriftlich darzulegen. So wolle man Senatoren zum Einlenken bewegen. Aber ansonsten helfe doch wieder nur, die „bittere Pille zu schlucken“, sagt Ausschußassistent Jochen Heiser. Denn Druckmittel gebe es ja keine.

Eine weitere Änderung stößt außerdem auf Kritik: Bislang unterzeichnete Bürgerschaftspräsident Reinhard Metz (CDU) höchstselbst die abschließende Ausschuß-Empfehlung an die Petenten. Diese unmittelbare Beziehung zwischen Parlament und Volk werde jetzt verschleiert, befürchtet der Verein zur Förderung des Petitionsrechts. Denn künftig wird der Ausschußvorsitzende, Horst Ochs (AfB), seinen Namen unter die Abschlußempfehlung setzen. Dies sei aber keine gute Symbolik: So könnte nun bei den BürgerInnen der Eindruck entstehen, daß die Dinge nur noch im Petitionsausschuß entschieden würden. Er rutsche dann noch mehr in die Nähe einer Verwaltungsbehörde.

Liane Aiwanger

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