: Eltern sind oft zu sorglos
■ Verkehrssicherheitstag: Kampagne „Kind im Auto“ klärte Bremer Eltern über Verletzungsgefahren auf / Statistisch leben Pökse mit Fahrrad sogar sicherer
Eigentlich ist die Fahrt zum Einkaufszentrum fast geschafft: Nur noch schnell einen Parkplatz finden. Sohnemann, längst eifrig abgeschnallt, steht quengelnd zwischen den Sitzen. Und dann kracht's.
Unter dem Motto: „Kind im Auto“ will der Verkehrssicher-heitstag in diesem Jahr Eltern aufrütteln: Sie sollen künftig ihre Sprößlinge besser im Auto schützen. Deshalb betreibt die Akademie Bruderhilfe, einst eine Versicherung für autofahrende Pfarrer, seit 14 Jahren einen Verkehrssicherungspark. Gestern stoppte der vom Bundesverkehrsminister gesponserte Troß aus Demo-Crash-Autos, Vorführrampen und Info-Bus auf seiner Tour durch 30 deutsche Städte am Bremer Marktplatz. Hier fanden Schüler besonders die Crashtests zum Mitmachen klasse – und wollten mal gerne Dummy spielen. Begeisterte Zurufe gab's auch für den professionellen Stuntman, der Fahrradunfälle nachstellte: Mit Tempo krachte der Schauprofi in eine geöffnete Autotür, überschlug sich, landete kopfüber auf der Windschutzscheibe – und grinste frech: Ihm war nix passiert, dank Helm. Auf Deutschlands Straßen dagegen starben im vergangenen Jahr 73 radfahrende Kinder unter 15 Jahren. In den Fonds der Autos waren es im gleichen Zeitraum 128.
Laut Verkehrssicherheitsrat sei vor allem die Sicherung älterer Kinder im Auto katastrophal, erinnerte Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) gestern bei der Eröffnung des Aktionstages. Denn von den 6- bis 12jährigen sind drei Viertel im Auto ungesichert. Oder falsch angeschnallt. Der Grund: die Sorglosigkeit ihrer Eltern.
Von den Erwachsenen halten viele noch immer das Fahrrad für gefährlicher als das Auto, sagt Bruderhelfer Winkler. „Ein tragischer Irrtum“, glaubt man der Statistik. Allein im Jahr 1998 kamen bei Unfällen mit dem Auto beinahe doppelt so viele Kinder ums Leben als bei Fahrradunfällen. Die Gesetzgeber haben inzwischen darauf reagiert: Seit 1993 müssen Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr oder bis zur Größe von einem Meter fünfzig im Auto angeschnallt werden – und zwar altersgemäß. Vorschrift für Säuglinge ist der Transport in einer Hartplastik-Babyschale, für Kleinkinder in einem „Kinderrückhaltesystem“ – sprich Kindersitz – und für die Großen bis zwölf ein herkömmlicher Gurt plus Sitzkissen. Zwar müssen Erwachsene, die sich nicht an diese Sicherungspflicht halten, mit Bußgeldern bis zu 100 Mark sowie Punkten in Flensburg rechnen. Doch viele von ihnen ignorieren die Vorschriften – oft wissen sie es nicht besser. Weil das in anderen Städten genauso ist, zieht der Missionstroß heute weiter: Wilhelmshaven, Oldenburg, Vechta und Osnabrück stehen diese Woche noch auf dem Reiseplan. Liane Aiwanger
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