: Keiner weiß, wohin der Krieg führen wird –betr.: „Joschka und die Natur der Hysterie“, taz vom 17. 5. 99
Je indirekter die Tötungsart, desto leichter ist es, das Tötungstabu zu durchbrechen. Der grausamen direkten Tötung steht die „saubere“, indirekte, zudem meist nur versehentliche Tötung durch Knopfdruck von oben entgegen. Das Ziel wird durch eine Videokamera betrachtet. Setzt nun das Grausame Böses voraus, fallen hingegen Bomben gleichsam schicksalhaft vom Himmel und treffen versehentlich die Falschen , wofür die andere Seite allein verantwortlich gemacht wird. Noch indirekter ist das Töten für jene, die den Befehl erteilen.
Mag sein, daß ein Tötungstabu durch die Beteiligung deutscher Soldaten durchbrochen wurde. Doch werden wir in der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung dieses Tabus bestätigt: Bisher haben die Bomben nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Keiner weiß, wohin dieser Krieg führen wird. Der Einsatz von Bodentruppen würde eine andere „Qualität“ des Tötens bedeuten. Und alle wissen, daß es Miloevic darauf anlegt, die Nato zum Einsatz von Bodentruppen zu provozieren. Die Hysterie gegen diesen Krieg ist eher Ausdruck eines Ohnmachtgefühls. Auch die Bomben sind es. Denn ursprünglich wollte man drohen, um Grausamkeiten abzuwenden.
Bisher steht immer noch mehr Geld für Bomben zur Verfügung als für die Hilfe für die Flüchtlinge. Auch das Hickhack um die Aufnahme der Flüchtlinge macht das moralische Ansinnen der Nato-Staaten zur Scheinmoral. Silke Gustedt, Reutlingen
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