■ H.G. Hollein: Sex garni
Die Frau, mit der ich lebe, hat eine Freundin, die überaus kurz angebunden ist. Zumindest in gewisser Hinsicht, wie sich neulich bei einem trauten Abendessen offenbarte. Wenn P. bisweilen mit nach Hause nimmt, was sie „einen Kerl“ nennt, pflegt sie das Objekt ihrer Begierde nach gehabtem Genuß nämlich kurzerhand wieder seiner Wege zu schicken, bevor die Sonne aufgeht. Auf ein mögliches Vampirtrauma angesprochen, begründete P. ihr wenig gastliches Verhalten schlicht damit, daß sie morgens ihre Ruhe haben wolle. Als ich einzuwenden wagte, warum sie es dann nicht gleich in einer Telefonzelle triebe, beschied mich P. nur lapidar, bequem solle es bei alledem schon sein. P. macht eben keine Kompromisse. Dabei gibt es schließlich Zwischenstufen, wie die Gefährtin und ich unlängst nachts an der Kieler Straße beobachten durften, als dort ein schwarzer Golf mit quietschenden Reifen vor einer Frittenbude zum Stehen kam und die beiden Insassen – von diesem lauschigen Hintergrund sichtlich inspiriert – ihrem haltlosen Hunger aufeinander aufs Heftigste nachzugeben begannen. „Wo ein Wille ist, ist eben auch ein Gebüsch“, kommentierte die Gefährtin mit einer ins Derbe spielenden Kundigkeit, die mich denn doch ein wenig überraschte. P. vernahm dieses Beispiel nicht ohne einen Anflug von Neid. Sie fährt nämlich nur Fahrrad. Und fügte ein wenig verkniffen an, das sei eben der Preis für ökologische Correctness. Gefragt, wie sie sich denn im umgekehrten Falle vorkommen würde, verriet P. eine wenig konsequente Rabiatheit. Der Kerl, der sie von der Bettkante schubse, könne sich auf was gefaßt machen. „Wenn's schon nicht so dolle war, will frau hinterher wenigstens ein Schinkenbrot.“ Nachdem P. gegangen war, habe ich noch lange darüber nachgedacht, warum die Gefährtin nach gewissen Nächten immer einen derartigen Appetit an den Tag legt.
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