piwik no script img

Live aus BarcelonaDos Minuts pel Senyor Hefele

■ Barcelona ist schön – aber ungeeignet, wenn es gegen Manchester United geht

Zwei Erkenntnisse zum Beginn: Lustig ist der Spanier nicht, und: Barcelona ist die falsche Stadt. Zum ersten Punkt. Unsereiner denkt – mehr oder weniger dialektisch fundiert –, Menschen, die unter reichlich Sonne heranwachsen und existieren, seien von Haus aus heiter und bewegungsintensiv.

Wenn vom „Süden“ die Rede ist, gaukelt uns das innere Auge Bilder von froh lamentierenden Italienern und grundlos tänzelnden Brasilianern vor.

Der Spanier, genauer der Katalane, scheint anders zu sein. Gelacht wird nicht so ohne weiteres, schon gar nicht vor Fremden, und tanzen hab' ich noch niemand gesehen.

Auch oberflächliche Spanienkenner wissen: Es gibt Ausnahmen. Flamenco, Stierkampf und Fußball. Womit wir beim morgigen Finale angelangt wären und beim zweiten Punkt unserer Betrachtung. Barcelona ist die falsche Stadt. Aber das war mir auch schon klar, bevor ich gestern hier ankam. Verstehen wir uns richtig: Barcelona ist eine schöne Stadt, und das Camp Nou ein phantastisches Stadion. Leider scheint immer die Sonne! Es ist heiß und staubig. Wenn es gegen die Engländer geht, muß das Wetter aber anders sein.

Grau verregnete Nachmittage und tiefer Boden. Ein Terrain für die Grätscher, die Slidingtackler, die Zahnlosen mit den kurzen, krummen Beinen. Die, die den Kopf zwischen die Schultern nehmen und immer die mörderisch langen Stollen aufgeschraubt haben, mit denen sie brutal den jungfräulichen Rasen zerpflügen, wenn sie die schnellen Außenstürmer hart an der Außenlinie von den Beinen holen. Solche, die bloß beiläufig ausspucken, wenn der Schiri sie dann ermahnt.

Früher war das immer so. Oder meistens. Oder täuscht mich die Erinnerung?

Liverpool gegen Dortmund im Glasgower Hampden Park. Pokalsiegerfinale 1966. Die Ruhrpott-Mauer Redder, Kurrat, Paul. Namen, die so schroff und kantig waren, wie die, zu denen sie gehörten. Dortmund siegte durch ein selten tragisches Tor: Bogenlampe von Stan Libuda, und der in Sachen „Rettung in letzter Sekunde“ dem Ball hinterher hechtende Verteidiger Lawler blockte den von der Latte zurückspringenden Ball ins eigene Tor.

Ein Bild des Jammers. Und eine der vielen tragischen Figuren, die die deutsch-englischen Fußballduelle geprägt haben.

Auf einer Schwarzweißfotografie – Hans Tilkowski im WM-Finale 1966. Mit Schiebermütze, wie von einem unseligen Fluch verzaubert hilflos über dem Rasen von Wembley schwebend. Insgesamt hatten die DFB-Teams in den großen Duellen gegen das ehrwürdige Albion aber das bessere Ende für sich.

Ganz anders sieht die Bilanz der Vereinsmannschaften aus. Mit Ausnahme der Dortmunder und der in den Mitsiebzigern wohl unschlagbaren Bayern (2:0 gegen Leeds) war nicht viel zu holen. Keine großen Finals.

Barcelona könnte anders werden. Zwei große Mannschaften, strotzend vor Selbstvertrauen. Beide müssen kompromißlos nach vorne spielen. Manchester, weil die eigene Abwehr nicht allzu stabil ist und man das Spiel vom eigenen Sechzehner fernhalten muß, und die Bayern aus dem gleichen Grund, beziehungsweise um dem in letzter Zeit gemeingefährlichen Oliver Kahn keine Möglichkeit zu bieten, jemanden zu beißen.

Ein Spiel der Offensivkräfte vor grandioser Kulisse im Nou Camp. Dazwischen ich. So stelle ich mir das morgen abend vor. Einmal richtig selig seufzen: Fußballerherz, was willst du mehr?

Vielleicht doch einen wie Günter Netzer, wie er mit pantherhafter Geschmeidigkeit (pantherhafte Geschmeidigkeit? Anm. des Red.) über den sattgrünen Teppich des Wembleystadions hetzt? Ein anderes Bild grau-verregneter Erinnerungen. Während der 72er EM im vielleicht besten Spiel einer deutschen Mannschaft.

Kann das Effenberg?

Kann das Basler?

Schön wär's.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen