: Wenn Meister und Lehrling sich zoffen
■ Dritter Teil der taz-Serie: EU förderte Training zum Konfliktmanagement für jugendliche Auszubildende. Doch aus formalen Gründen wurde das Projekt nicht weiterfinanziert
Immer wieder brechen Jugendliche ihre Lehre ab. Weniger weil ihnen der Lehrberuf nicht gefällt, sondern weil ihnen der Lehrherr unangenehm auf die Zehen tritt. „Die gehen eines Tages einfach nicht mehr in den Betrieb. Der Konflikt selbst wird aber nicht benannt“, erzählt Peter Knapp, der ein von der EU gefördertes Projekt zur Konfliktbearbeitung zwischen Lehrlingen und Meistern am Stadtbauhof in Friedrichshain geleitet hat. Das Modellprojekt, das 1997 mit rund 130.000 Mark gefördert nur ein Jahr lief, beschäftigte sich vor allem mit sogenannten benachteiligten Jugendlichen: jungen Menschen, die keinen abgeschlossenen Schulabschluß haben, aus sozial geschädigten Familien stammen und die Lösung von Konflikten nicht gelernt haben.
„Da sind die Streits programmiert“, sagt Knapp, der als Mediator Fachmann auf dem in Deutschland jungen pädagogischen Bereich des Konfliktmanagments ist. Der Mediator bemüht sich als unbeteiligter Dritter, die beiden Streitparteien dahin zu führen, daß sie sich über ihre Interessen und Gefühle klar werden und diese artikulieren können.
Bei dem von der EU geförderten Projekt am Stadtbauhof wandte Knapp eine Körpertherapie auf der Grundlage der Kampfkunst Aikido an. „Wir haben mit den Jugendlichen immer wieder Situationen nachgestellt, bei denen man keinen Spielraum mehr hat“, erzählt Knapp. Anschließend sollten die Jugendlichen das Gefühl der Ohnmacht thematisieren und deeskalierendes Verhalten einüben.
Das Projekt, das bei den Jugendlichen laut Knapp gut angekommen ist, krankte daran, daß es nach einem Antragsfehler seitens des Stadtbauhofes von der EU nicht über die beantragte einjährige Laufzeit hinaus verlängert wurde. „Da hat sich die EU mal wieder wenig flexibel gezeigt“, bedauert die stellvertretende Geschäftsführerin des Stadtbauhofes, Gudrun Laufer, das schnelle Ende des sinnvollen Projekts. „Denn diese damals gerade im Entstehen begriffenen Strategien des Konfliktmanagments sind bis heute in unsere Arbeit am Stadtbauhof integriert.“ Beim Stadtbauhof können Jugendliche, die auf dem freien Markt keine Lehrstelle gefunden haben, verschiedene Gewerke und Büroberufe mit Unterstützung des gemeinnützigen Vereins erlernen.
Knapp hatte ursprünglich vor, ein Modell zu entwickeln, mit dem auch bei großen Unternehmen das Konfliktmanagment zwischen Lehrlingen und Meistern hätte angewandt werden können. „Aufgrund der kurzen Laufzeit war das nicht möglich“, sagt Knapp. Dennoch käme der Ansatz des Konfliktmanagements in Deutschland in unterschiedlichen Bereichen wie etwa bei Scheidungsauseinandersetzungen immer häufiger zum Tragen. Ein sinnvolles Deeskalationstraining, wie im vorgestellten Projekt begonnen, hilft nicht nur den Lehrlingen in ihrer beruflichen Ausbildung, sondern auch der Wirtschaft selbst. Der Abbruch einer Lehre ist für jedes kleinere Unternehmen auch immer ein finanzieller Verlust. Annette Rollmann
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