: Moskau und Peking zögern noch
Zurückhaltende Reaktionen auf die G-8-Einigung: Igor Iwanow sieht weiterhin Verhandlungsbedarf. Und China wartet mit Zustimmung noch ■ Von Klaus-Helge Donath
Die Russen sind wieder an Bord. Jelzins Balkanemissär Wiktor Tschernomyrdin kam als erster Offizier aufs Schiff und hielt den Kurs Richtung Frieden im Kosovo. Inzwischen haben die Russen ihren Sonderbeauftragten gegen Außenminister Igor Iwanow ausgetauscht, der seine Rolle als Bremser ebenso überzeugend spielt. Treibt Moskau bewußt ein Doppelspiel? Die russischen Militärs hatten schon in Belgrad die Verhandlungsführung ihres Emissärs scharf kritisiert. General Iwaschow, Chef der Auslandsabteilung des Verteidigungsministeriums, zögerte letzte Woche nicht, in Anwesenheit Tschernomyrdins dessen Haltung zu verurteilen: Die Generalität empfände Tschernomyrdins Zugeständnisse als einen Verrat russischer Interessen. Dem folgte Verteidigungsminister Igor Sergejew, der aus seiner Unzufriedenheit auch keinen Hehl machte.
Für klare Verhältnisse könnte nur Boris Jelzin sorgen. Doch der hält sich bedeckt, während sein Sonderbeauftragter in die Schußlinie der Militärs, des Außenministeriums und der nationalkommunistischen Opposition gerät. Eigentlich hätte Jelzin die Militärs zur Räson rufen müssen. Immerhin hat er Tschernomyrdin mit allen Vollmachten ausgestattet. Die Kritik galt somit vor allem dem Kremlchef. Ähnlich opportunistisch hatte sich Jelzin nach dem Friedensschluß in Tschetschenien verhalten. Solange von einer Niederlage die Rede war, tauchte der Präsident ab. Als die Öffentlichkeit den Waffenstillstand begrüßte, war der Präsident als Friedensbringer wieder präsent.
Nach Berichten des Kommersant haben russische Militärs am Wochenende auf die Serben eingewirkt, die Verhandlungen in Kumonovo abzubrechen. Der russische Militärattaché in Belgrad, Jewgeni Barmjanzew, erhielt von Verteidigungsminister Sergejew und Außenminister Iwanow die Weisung, sich einzuschalten. Erfolgreiche Verhandlungen könnten nur fortgesetzt werden, wenn die divergierenden Positionen über die UN-Resolution ausgeräumt werden könnten.
Diesem Ziel ist die G 8 gestern ein großes Stück nähergekommen. Doch trotz einer Einigung äußerte sich Iwanow skeptisch. Über die Struktur der geplanten Friedenstruppe gebe es weiteren Verhandlungsbedarf. Alle diese Aspekte würden im Sicherheitsrat zur Sprache kommen, sagte Iwanow. Jedoch: Außenministerium und Verteidigungsministerium ziehen nun an einem Strang. Aber warum, mutmaßen Beobachter, haben die Mitarbeiter aus dem Außenministerium in Tschernomyrdins Stab nicht schon während der Verhandlungen in Belgrad auf Dissonanzen hingewiesen? Will sich der Außenminister, der sich durch die Ernennung Tschernomyrdins von Anfang an brüskiert fühlte, nur rächen? Oder hat das Außenministerium die Kritik der Militärs und der Opposition falsch eingeschätzt und will sich noch deutlicher von Tschernomyrdin distanzieren? Die Aversion der Militärs, allen voran Iwaschow, gegenüber allem, was mit dem Westen verbunden ist, bedarf keiner Erklärung. Allerdings hat Moskaus Widerstand auch handfeste Gründe: Rußland ist nicht in der Lage, in einer Woche eine eigene Friedenstruppe aufzustellen und auszurüsten, zumal wenn, wie vorgeschlagen, 10.000 Soldaten ins Kosovo einrücken sollen. Daher spielt man auch auf Zeit.
Ähnliches hört man zur Zeit auch aus China. Über die Ergebnisse eines Telefonats Boris Jelzins mit Jiang Zemin war gestern zwar nichts näheres zu erfahren. Doch im Anschluß an die Verabschiedung des Entwurfs der G-8-Staaten der UNO-Resolution waren die Signale aus China, das im Weltsicherheitsrat ein Veto-Recht hat, sehr zögerlich: „Vorerst kein Kommentar.“ Doch der EU-Vermittler Martti Ahtisaari, der sich gestern zu Gesprächen in Peking aufhielt, äußerte sich trotzdem positiv: Er sei absolut davon überzeugt, daß China eine friedliche Lösung auf dem Balkan wolle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen