: Schröder gibt im Atomstreit nach
■ Kanzler will die Entscheidung des Bundestages zu den Krediten für zwei neue ukrainische Reaktoren abwarten
Berlin (taz/AFP/dpa) – Offenbar will Bundeskanzler Gerhard Schröder im Streit um die Atomkredite einlenken. Der Kanzler habe „nicht die Absicht, Parlamentsbeschlüsse zu ignorieren“, sagte Regierungssprecherin Charima Reinhardt gestern in Bonn nach der Kabinettssitzung. Im Bundestag gilt aber eine Ablehnung der Kredite für die Ukraine zum Bau zweier neuer AKWs als sicher.
Zuvor war die strittige Frage, ob Deutschland im Rahmen der G-7-Kredite rund 810 Millionen Mark für zwei neue Reaktoren bewilligen soll, auf nächste Woche vertagt worden. Kommenden Mittwoch will der Bundestag über einen gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen von Ende April entscheiden. Darin fordern Grüne und SPD, der Ukraine nur dann Kredite zu bewilligen, wenn dafür statt AKWs konventionelle Kraftwerke gebaut werden.
Greenpeace zufolge hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder den Umweltschützern noch am Montag zu verstehen gegeben, daß er die Kredite auch für AKWs bewilligen wolle. Zwar dementierte das Kanzleramt am Tag darauf, aber Schröder hatte schon mehrfach öffentlich „schwierige Sachzwänge“ angeführt, die dafür sprächen, die geplanten AKWs zu finanzieren. Deutschland ist zum Beispiel in der G 7 unter Druck, jetzt nicht gegen die Kredite zu operieren, weil man die Ukraine als wichtigen Bündnispartner nicht verprellen will.
Die westlichen Industriestaaten hatten der Ukraine 1995 in Aussicht gestellt, den Bau der beiden Meiler Rivne 4 und Khmelnitzky 2 durch Kredite abzusichern, falls im Gegenzug die noch verbliebenen Reaktoren am Unglücks-AKW Tschernobyl endgültig stillgelegt werden. Doch an der Zuverlässigkeit dieser neuen Reaktoren russischer Bauart unter der Wartung unterbezahlter ukrainischer Techniker bestehen unter den Koalitionsfraktionen große Zweifel.
Im Kabinett sei gestern bloß der Sachstand kurz referiert worden, hieß es aus Regierungskreisen. Eine Aussprache habe es nicht gegeben. Umweltminister Jürgen Trittin habe aber eine Entscheidung vor dem G-7-Gipfel Ende kommender Woche angemahnt. Kommt es dort nicht zu einem neuen Beschluß über die Verwendung der Kredite, wären die AKWs kaum noch zu verhindern. urb
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen