piwik no script img

Schützt das Wattenmeer – ein bißchen

■ Umweltschützer streiten über neue Nationalpark-Gesetzgebung in Niedersachsen / Landesregierung beschneidet Verbandsklage

Wem soll der Schutz des niedersächsischen Wattenmeeres mehr nutzen, der Natur oder dem Menschen? Darüber ist in Niedersachsen ein heftiger Streit unter Naturschützern ausgebrochen.

Schuld daran ist der niedersächsische Umweltminister Wolfgang Jüttner (SPD). Der möchte die bisherige Schutzverordnung für den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und den Nationalpark Harz in ein Gesetz umwandeln. Nachdem Nationalparkgegner die Einrichtung des Nationalparks „Elb-Aue“ gerichtlich verhindert hatten, wollte der Minister eigentlich die bestehenden Parks stärker und besser absichern. Dafür hatten sich Sozialdemokraten, Grüne und die Umweltverbände für eine wortgetreue Übertragung der jetzigen Schutzverordnung in Gesetzesform ausgesprochen. Schon dagegen jedoch polemisierten die in der Szene wenig geliebten Umweltschützer der Konferenz der Natur- und Umweltschutzverbände Ost-Friesland (Konferenz). Allen voran der Inselvogt der ansonsten unbewohnten Vogelinsel Memmert vor Juist, Reiner Schopf, und der Sprecher der Konferenz aus Esens, Manfred Knake. Sie fordern weitergehende Schutzmaßnahmen für das Watt.

Jetzt legen aber SPD und Grüne einen Gesetzentwurf vor, der noch hinter die bislang gültige Schutzverordnung zurückfällt. „Ein erster Schritt zur Abschaffung der Verbandsklage“, schimpft Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler vom BUND Niedersachsen. Die Anwendung der Paragraphen 28 a und b des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes, die den Umweltverbänden eine Beteiligung bei der Behandlung „besonders schützenswerter Biotope“ im Wattenmeer zusichert, wurde aus dem Entwurf gestrichen. „Besonders geschützte Biotope“ waren im Watt bislang die Wildmuschelbänke in der absoluten Tabuzone des Nationalparks. Vor Juist und Langeoog durften Fischer diese Bänke jetzt schon abernten. „Mit schweren Ketten reißen die den ganzen Wattboden auf“, erregt sich Manfred Knake.

In diesem Jahr sind die Naturschutzverbände bei der Entscheidung, die Wildmuschelbänke freizugeben, schon ausgeschlossen worden. Unter Berufung auf den Paragraphen 28 will der BUND das Genehmigungsverfahren aber noch gerichtlich kippen. Schopf und Knake waren schneller. Sie haben bereits Beschwerde gegen die Muschelfischerei bei der Europäischen Kommission eingelegt. Das Wattenmeer gilt als international bedeutsames Feuchtgebiet und unterliegt dem europäischen Flora-Fauna-Schutz (FHH). „Aber im internationalen Vergleich ist der Wattenmeerschutz lachhaft“, grollt Inselvogt Schopf.

Während Holger Wesemüller vom WWF Meere&Küsten in Bremen den „sehr geehrten Damen und Herren“ des Umweltausschusses im niedersächsischen Landtag staatsmännisch „eine Verbesserung und Ergänzung“ der aktuellen Vorlage vorschlägt, ist Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler vom BUND in einem Brief an „den lieben Wolfgang“ (Jüttner, Umweltminister, d.R.) „bestürzt“.

„Kungelei, Funktionärsgemauschel und Opportunismus der Naturschutzverbände gegenüber der Landesregierung haben dazu geführt, daß wichtige Naturschutzpositionen aufgegeben wurden“, schreibt Inselvogt Schopf den Naturschutzverbänden ins Bio-Stammbuch. Manfred Knake aus Esens fügt hinzu: „Das Wattenmeer ist sowieso mehr Wirtschaftsgut als Schutzzone.“ Die Konferenz verlangt eine Grundsatzdebatte über Schutzkriterien und schlägt vor: verschärfte Kontrollen im Nationalpark, absolute Eingreifverbote in dessen Ruhezonen sowie weitergehende Zutrittsverbote für Segler und Touristen als bisher. Wie diese Forderungen durchgesetzt werden könnten, läßt die Konferenz allerdings offen. „Wir empfinden die Angriffe der Konferenz als Erpressungsversuch“, entgegnet Robert Exner vom BUND. Und Beatrice Claus vom WWF fügt hinzu: „Wir wollten bewußt keine Grundsatzdebatte über generelle Schutzkriterien, weil wir befürchteten, diese Diskussion könnte hinter der geltenden Schutzverordnung zurückbleiben.“ In der aktuellen Gesetzesvorlage ist exakt dies geplant – ganz ohne Grundsatzdebatte.

Thomas Schumacher

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen