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TBT-Keule schlägt Papenburg

■ Papenburger Hafen mit Umweltgift TBT verseucht / Bürgerinitiative befürchtet Verseuchung landwirtschaftlich genutzter Flächen / Stadt schweigt

Die emsländische Kleinstadt Papenburg ist berühmt. Hier wohnt der Bundestagsvizepräsident und Freund von Ex-Kanzler Helmut Kohl, Rudolf Seiters (CDU). Und die ortsansässige Meyer-Werft macht regelmäßig bundesweit Schlagzeilen mit Luxusdampfern, die so groß sind, daß sie nicht durch die Ems passen. Deshalb läßt Meyer den Fluß einfach tiefer legen. Jetzt ist Papenburg wieder „Spitze“: „Stolze 357 Mikrogramm des hochgiftigen Tributylzinns (TBT) enthält ein Kilo Trockensediment aus dem Papenburger Hafenbecken“, verkündet der Reporter einer lokalen Sonntagszeitung stolz. Die Stadtverwaltung hat diesen enormen Wert allerdings nur „im Durchschnitt“ bestätigt.

Was den Papenburger Reporter stolz macht, bereitet anderen Hafenverwaltungen, etwa der in Bremen, heftige Kopfschmerzen. Zwar weiß man, woher das Gift kommt: Es ist in Schiffsfarben enthalten. Es soll Seepocken, Algen und anderes Kleingetier ersticken, das sich an Schiffsböden absetzt. Die blinden Passagiere verlangsamen die Fahrt der Schiffe, verursachen höheren Treibstoffverbrauch und beschädigen die Schiffsböden.

Was mit dem verseuchten Schlamm geschehen soll, darüber grübeln bundesweit Experten, nicht aber in Papenburg. Die Stadt spült den verseuchten Schlick einfach in die Ems zurück oder baggert für jährlich gut eine halbe Million Mark ca. 100.000 Kubikmeter Schlamm aus dem Hafen und spült den Dreck in die Landschaft. Das macht die Stadt schon seit Jahren so. Aktuell hat die ausführende Baggerfirma drei Flurstücke beantragt, um auf ihnen Hafen- und Vorhafenschlick auf eine Höhe von 2,50 Meter aufspülen zu dürfen. Ob dafür ein spezielles Planfeststellungsverfahren eröffnet wurde, oder ob die Stadt Gefahren in der Art ihrer Entsorgung sieht, darüber schweigt sie sich aus. „Solche Fragen beantworten wir derzeit nicht“, gibt sich Stadtsprecher Bernhard Jordan zugeknöpft.

Das Pikante an der Sache: Die Flurstücke liegen in einem Landschaftsschutzgebiet. Ein geologisches Gutachten qualifiziert die Fläche so: „Die Empfindlichkeit des obersten Grundwasserleiters gegenüber Schadstoffen ist groß. ... Im Gebiet sind einige kleinere Gräben vorhanden.“

Die örtliche Bürgerinitiative „de Dyklopers“ befürchtet jetzt, daß mit derartigen Spülungen landwirtschaftlich genutzte Flächen verseucht worden sind und weiter verseucht werden. Denn indirekt über das Grundwasser oder – schlimmer – direkt über die offenen Tränkgräben könnte das Vieh auf den benachbarten Weiden TBT aufgenommen haben. TBT-Gift in Milch und Rindfleisch, das wäre das Letzte, was die ohnehin gebeutelte Region gebrauchen könnte. „Wir verlangen, daß der Schlick auf sicheren Deponien entsorgt wird. Außerdem müssen alte Spülfelder auf ihre Gefährlichkeit hin untersucht werden“, fordert Wilfried Penning, Sprecher der Dyklopers.

Bislang hatten Wissenschaftler vermutet, unter Sauerstoffzufuhr könnte TBT schneller zerfallen. Deswegen sieht beispielsweise auch Bremen in der Deponierung von Hafenschlick eine Möglichkeit, TBT zu entsorgen. „Aber das sind nur Vermutungen, genaue Untersuchungen gibt es nicht“, meint Jürgen Ritterhof von der Aktionskonferenz Nordsee in Bremen. Bislang gibt es nur in Norddeich entsprechende Versuchsreihen. Konkrete Richtlinien, wie mit TBT-verseuchtem Schlamm umzugehen sei, gibt es derzeit nicht.

„Es ergibt sich aus der Gefährlichkeit von TBT, daß das Zeug nicht ins Grundwasser und in Lebensmittel gelangen darf“, erklärt Patricia Cameron, die für den WWF Bremen das Problemfeld TBT bearbeitet. „Zur Zeit versucht die internationale Farbenlobby die Gefahren von TBT herunterzuspielen. Denn im November wird die Vollversammlung der Internationalen Maritimen Organisation (IMO) der Vereinten Nationen die Beschlußvorlage ihres Umweltausschusses absegnen. Dann wird TBT ab 2003 weltweit verboten“, weiß Cameron.

Waren TBT- Schädigungen bislang vornehmlich von kleinen Meerestieren wie Schnecken, Austern und anderen Muscheln bekannt, so fanden Wissenschaftler jetzt auf Fischmärkten in Südost- Asien und Polen verseuchte Fische. Auch bei Albatrossen und Bartenwalen sind hochgradige TBT-Vergiftungen nachgewiesen worden. „Das ist der Beweis, daß TBT schon weit in die Nahrungskette vorgedrungen ist“, so Cameron .

Thomas Schumacher

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