: Streit um den neuen BSHG-Kuchen
■ Koalition will „eine Beschäftigungsgesellschaft“ gründen / Bremer Beschäftigungsträger sehen die Träger-Vielfalt bedroht / Kommt jetzt ein staatliches Beschäftigungsmonopol?
In Zukunft soll es tausend BSHG-19-Stellen mehr als bisher geben: In den Koalitionsverhandlungen wurde eine glatte Verdoppelung der bisherigen Stellen vereinbart, mit der Sozialhilfe-Empfängern der Weg in den normalen Arbeitsmarkt geebnet werden soll. Welche Träger diese zusätzlichen Stellen „bekommen“ und verwalten dürfen, darüber ist der Streit in der „Szene“ entbrannt.
„In Zukunft sollen die Stellen nach den EU-Richtlinien im freien Wettbewerb ausgeschrieben werden, jeder kann sich darum bewerben“, sagt die Arbeitsmarkt-Politikerin der CDU, Brigitte Dreyer. Die bisherige Praxis, nach der die 17 bremischen Träger den Kuchen unter sich aufteilen, soll nach CDU-Ansicht damit beendet werden.
In den Koalitionsvereinbarungen zur Sozialpolitik steht allerdings etwas ganz anderes, verpackt in dem harmlosen Satz: „Es wird angestrebt, eine Beschäftigungsgesellschaft unter Einbeziehung der Arbeit- und Jugendwerkstätten GmbH zu gründen.“ In der Szene der Träger für BSHG-19- und ABM-Stellen gibt es für diese Formulierung eine böse Interpretation: Hier soll eine staatliche Beschäftigungsgesellschaft geschaffen werden, die praktisch das Monopol der Maßnahmen hat, kontrolliert von dem zuständigen Senatsressort. Und die „Arbeit- und Jugendwerkstätten GmbH“ sind schon eine staatliche Firma mit direkter Anbindung: Arbeits-Staatsrat Arnold Knigge ist ihr Aufsichtsratsvorsitzender.
„Dieser Satz kommt nicht von mir“, dementiert Aufsichtsratsvorsitzender Knigge die unterstellte Tendenz: Die anderen Träger sollten „mit Sicherheit nicht plattgemacht werden“. Man wolle bloß die zusätzlichen BSHG-19-Stellen „ein bißchen konzentrieren“ – wie in Kiel und Leipzig. Die Jugendwerkstätten erbringen „kommunale Dienstleistungen“, machen Möbel für Kitas, Zäune, Spielgeräte, betreiben Recyclingshöfe oder renovieren in Freizeitheimen. Dies könne sinnvollerweise mit mehr BSHG-19-Stellen ausgebaut werden, aber dieselbe Anzahl bisheriger ABM-Stellen müßten die Jugendwerkstätten dann abgeben an andere Träger, versichert Knigge. Das wollen die Jugendwerkstätten selbst auch. In einer vertraulichen Konzeption, die der taz vorliegt, wird als Ziel formuliert, die Zahl der BSHG-19-Stellen auf 300 zu erhöhen, die ABM-Stellen dagegen um 220 auf 200 zu reduzieren. Die Werkstätten versprechen sich davon größere Finanzierungssicherheit: Die ABM-Stellen sind an strenge Auflagen des Abeitsamtes gebunden. Ihre Projekte dürfen den normalen Handwerksfirmen nicht Umsatz wegnehmen. Bei mehr BSHG-19-Stellen könnten die Jugendwerkstätten daher mehr kommerzielle Aufträge abwickeln und würden unabhängiger von den unsicheren EU-Fördertöpfen.
Aus demselben Grund ist der Dachverband der Beschäftigungsträger, der neben den staatlichen Jugendwerkstätten 16 andere (freie) Träger organisiert, strikt gegen die Bevorzugung der Jugendwerkstätten: „Alles spricht für Vielfalt, weil die Angebote für die Menschen unterschiedlich sein müssen“, sagt die Geschäftsführerin des Dachverbandes, Katja Barloschky. Jeder Beschäftigungsträger müsse das komplizierte Finanzierungskunststück mit den verschiedenen Töpfen hinbekommen. Es dürfe nicht sein, daß einer der Träger privilegiert werde beim Zugang zu dem BSHG-19-Topf.
K.W.
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