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Kackbraune Schalensitze

■  Kompromiß in Sicht: Olympiastadion wird im Stufenplan mit Schalensitzen ausgebaut werden

Eines immerhin scheint sicher: das Farbspektrum. Zwischen „einem freundlichen Grau und einem schlichten Kackbraun“, so ein Eingeweihter, dürfte sich die Einfärbung der geforderten und geplanten Schalensitze für das Berliner Olympiastadion bewegen. Aus Denkmalschutzgründen, denn das denkmalgeschützte Stadion weist eine ähnliche Farbgebung aus.

So weit die Klarheiten. Nun zu den offenen Fragen. Der Schalensitz bewegt die Hauptstadt: Ist es überhaupt noch möglich, bis zum August – wenn der Fußballclub Hertha BSC um den Eintritt in die Champions League zu spielen hat – das Olympiastadion europatauglich zu gestalten? Die von der Uefa auf europäischer Ebene geforderten Schalensitze einzubauen? Und wer soll das bezahlen?

Bislang bestimmen schlichte, durchgehende braune Kunststoffbänke das Bild im Olympiastadion. Aus Sicherheitsgründen müßten diese gegen 70.000 Einzelschalensitze ausgetauscht werden. Denn nach Ausschreitungen in Stadien hatte die Uefa die Sicherheitskriterien in den vergangenen Jahren erheblich verschärft. Geschätzer Kostenrahmen für die Operation: zehn Millionen Mark. Und das Land steckt mitten in zähen Haushaltsverhandlungen.

Seit Tagen nun ringt die Berliner Regierung um eine Lösung des Problems. Denn eines will man vermeiden: die Schmach, in ein anderes Stadion ausweichen oder gar vor einer Kulisse von 15.000 ZuschauerInnen auf den vorhandenen Einzelsitzen spielen zu müssen. Eine Ausnahmegenehmigung wie für andere deutsche Stadien, auch mit unzureichender Schalensitzanzahl spielen zu dürfen, hatte der Deutsche Fußballbund (DFB) für die jahrelang nur zweitklassigen Berliner gar nicht erst eingeholt. Zu unwahrscheinlich erschien, wie gestern auch Berlins Sportsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) betonte, „der Aufstieg in diesem Umfang“.

Gestern indes schien die Erlösung greifbar nahe; als Kompromiß mit der Uefa zeichnet sich nach Informationen der taz ein Stufenplan ab. So besteht die Uefa zwar darauf, daß in Berlin die Schalensitze eingebaut werden. Doch wenn bis zum ersten Qualifikationsspiel am 10. oder 11. August etwa 25.000 bis 30.000 Schalensitze montiert sind, dann dürften auch alle anderen Plätze verkauft werden. Bis zum nächsten Spiel müßten dann weitere etwa 20.000 Schalensitze folgen und so kontinuierlich weiter.

Bei der Bauverwaltung sind in den vergangenen Tagen bereits Unmengen von Angeboten für Schalensitze eingegangen. Zwar ist eine realistische Einschätzung weder der genauen Kosten noch der Produktions- und Montagezeit derzeit möglich, doch wie Bausprecherin Petra Reetz gestern sagte: „Wir sind der Meinung, wir kriegen das hin.“ Man wolle nun fundierte Angebote einholen. Doch schon jetzt sei offensichtlich, daß sich aufgrund der unkomplizierten Produktion kein Zeitproblem ergeben werde. Immerhin sei es ja auch möglich, mehrere Firmen zu beauftragen.

Auch die Sache mit dem Geld werde wohl nicht das dringendste aller Probleme werden, versicherte Reetz gestern. „Das ist im Moment nur Theaterdonner.“ So sei es doch möglich, angesichts der ohnehin derzeit mit Dringlichkeit verhandelten grundlegenden Sanierung des Olympiastadions, Schalensitze mit Perspektive auf die Sanierung zu beauftragen. Die jetzt erforderlichen Sitze sollten als Bestandteil der späteren Bestuhlung konzipiert werden und könnten so aus der Bausumme der Sanierung finanziert werden. Allerdings liegt für diese Sanierung noch immer keine endgültige finanzielle Lösung vor. Schließlich der Einbau der produzierten Sitze. Kein Problem mehr seit gestern. Bei der Sportsenatorin ist ein Hilfsangebot des Technischen Hilfswerkes eingegangen. Mit persönlichem Einsatz wollen die Helfer das Olympiastadion Uefa-tauglich machen. Barbara Junge

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