: Kommt das Jobticket endlich in Fahrt?
Die BVG will der preiswerten Fahrkarte für Berufspendler in diesem Jahr zum Durchbruch verhelfen ■ Von Christian Feld
Es klingt nach einem Geschäft, bei dem alle profitieren. Die BVG gewinnt neue Kunden, Firmen bleiben teure Parkplätze erspart, und die Mitarbeiter freuen sich über preiswerte Fahrkarten. Das Jobticket soll Berufspendlern das Umsteigen in Busse und Bahnen schmackhaft machen. Das Prinzip: Ein Betrieb mit mindestens 100 Mitarbeitern schließt mit der BVG für seine gesamte Belegschaft einen Vertrag ab. Der Rabatt auf die nicht übertragbare Monatskarte richtet sich nach der Zahl der Neukunden. Im günstigsten Fall reduziert sich der Preis um 15 Prozent.
Bisher aber hat sich das Angebot eher als Ladenhüter erwiesen. Das Jobticket verkaufte sich nur schleppend. Nach Angaben der BVG ist die magere Zeit jetzt beendet. Seit Anfang des Jahres konnte das Unternehmen viele neue Teilnehmer gewinnen. Aktuell machen 74 Firmen mit insgesamt mehr als 11.000 Mitarbeitern beim Jobticket mit. Den plötzlichen Aufschwung erklärt Wolfgang Schwenk, Direktor Vertrieb und Marketing, so: „Wir haben diesen Bereich mit mehr Leuten verstärkt. Dadurch konnten wir die Firmenberatung intensivieren. Jetzt geht es aufwärts.“
Unternehmen erwarten flexiblere Konditionen
Auf die BVG-Berater wartet noch viel Überzeugungsarbeit. Vielen Unternehmen waren die Konditionen bisher weder flexibel noch attraktiv genug. Ein Beispiel: Die Schering AG im Wedding liegt direkt am U-Bahnhof Reinickendorfer Straße. Knapp 5.800 Beschäftigte in Berlin könnten dort vom Jobticket profitieren. Bei einer ersten Umfrage vor Jahren war das Interesse allerdings zu gering. Jetzt startet die Firma einen zweiten Versuch. Der Betriebsrat hat eine neue Mitarbeiterbefragung angestoßen, die jetzt ansteht. Doch Schering-Sprecher Michael Langenstein rechnet auch diesmal mit keinem anderen Ergebnis: „Wir sind da eher skeptisch. Es liegt einfach am Angebot der BVG.“
Für Michael Cramer, den verkehrspolitischen Sprecher der Bündnisgrünen, fällt die Bilanz „sehr bescheiden“ aus. „Wir haben das ja nicht einmal für das Abgeordnetenhaus zustande gebracht.“ Dort hängt das Jobticket zur Zeit in der Warteschleife. Denn das Abgeordnetenhaus kann in Sachen Jobticket – selbst wenn es wollte – keinen Alleingang starten. Hier muß letztlich die gesamte Landesverwaltung an einem Strang ziehen.
Aber die Befürworter des Jobtickets in den Berliner Behörden dürfen hoffen. Grund: der Berlin-Umzug der Regierung. Seit Ende letzten Jahres laufen neue Verhandlungen zwischen dem Landesverwaltungsamt und der BVG. Und wenn es für die Bundesbediensteten zu einer Einigung kommt, warum sollte es nicht auch für den öffentlichen Dienst in Berlin klappen? Möglicherweise verwandelt sich dann der Dienstausweis automatisch in eine BVG-Fahrkarte. Vorher müßte die Verwaltung aber noch einige bürokratische Hürden nehmen. So gibt es nach Angaben der Senatsverwaltung für Inneres noch kein Konzept, wie das Jobticket überhaupt mit den Mitarbeitern zu verrechnen ist. Ebenso unklar sind auch die steuerlichen Konsequenzen des Vorhabens.
In Berlin streift das Firmentikket möglicherweise gerade die Kinderschuhe ab. In anderen deutschen Ballungsräumen ist es in Siebenmeilenstiefeln auf dem Vormarsch. Stolz verweist der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) auf mittlerweile 180 Firmen und Behörden, die für insgesamt mehr als 120.000 Mitarbeiter das Firmenticket gekauft haben. Tendenz steigend. Zu den größten Abnehmern gehören die Städte Wuppertal (9.200) und Düsseldorf (9.500) sowie die Westdeutsche Landesbank mit mehr als 4.000 Beschäftigten. Im Vergleich zur normalen Monatskarte ist der Preis um bis zu 30 Prozent günstiger.
Auch der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) verzeichnet seit der Einführung des Jobtickets im Jahr 1995 regelmäßige Neuzugänge. Hier ist die Teilnehmerzahl auf über 50 angewachsen. Stadtverwaltung Frankfurt, Flughafen AG, Ökobank und Hessischer Rundfunk – sie alle setzen auf die preiswerte Fahrkarte.
Aber auch kleinere Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitern können das Angebot nutzen. Sie schließen sich einfach mit anderen Interessierten zusammen. So existiert beispielsweise am Frankfurter Flughafen ein entsprechender Verein der ausländischen Fluglinien. Insgesamt kommt das Ticket mehr als 100.000 Menschen in dieser Region zugute. RMV-Sprecher Peter Vollmer: „Die Fahrgäste, die Firmen und wir – alle fahren günstiger.“
Die nächsten Monate werden zeigen, ob auch Berlin in Sachen Jobticket endgültig auf die Erfolgsschiene kommt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen