: Hiebe statt Liebe?
■ Neonazi wehrte sich gegen eine Hausdurchsuchung der Polizei – und wurde verurteilt
Ein Strafprozeß des Amtsgerichts Bremen blickte am Donnerstag zurück in den September des vergangenen Jahres: Es ist 4.40 Uhr, in der Nacht zum Sonntag. Aus einer Findorffer Wohnung dröhnt Musik. Die Nachbarn – aus dem Schlaf gerissen – stöhnen. „Rechtsradikale Musik“, erkennen sie.
Es dauert nicht lange, bis drei Polizeiwagen vorfahren. Die sechs Beamten aus den Autos haben das Zentrum des Lärms schnell ausfindig gemacht und klingeln an der entsprechenden Wohnungstür. Ganz wohl ist ihnen bei dem Nachteinsatz nicht: Das sind doch mindestens fünf, sechs Stimmen da drinnen. Waren da nicht eben auch rechtsextreme Parolen zu hören?
Unwillig öffnet ein junger Mann mit kahlrasiertem Schädel die Tür. Als er sieht, mit wem er es zu tun hat, versucht er den Eingang zu versperren. Aber zu spät: Die Polizisten stürmen die Wohnung. „Was wollt ihr denn hier?“ ruft jemand mißmutig aus dem Wohnzimmer. Als die Beamten sich nach möglicherweise verbotenen CDs umsehen, kommt es zum Handgemenge. Nach einer groben Auseinandersetzung wird der Wohnungseigentümer abgeführt.
Am Donnerstag letzter Woche – neun Monate nach dem Vorfall – trafen sich die Kontrahenten vor Gericht wieder. „Gewalttätiger Widerstand“ wurde dem jungen Mann vorgeworfen, den die Polizei kurzzeitig in Gewahrsam genommen hatte. Er habe sich mit Fußtritten und Schlägen gegen die Ordnungshüter gewehrt, hieß es in der Anklage. Dabei sei eine Dienstperson gezielt mißhandelt worden.
Da der Angeklagte vom Strafrichter schuldig gesprochen wurde, muß er jetzt blechen: 120 Tagessätze à 15 Mark, also insgesamt 1.800 Mark, ist er dem Staat wegen der Tätlichkeit nun schuldig. Zwar stritt der gebürtige Finsterwälder vehement ab, daß er den Kampf ausgelöst habe. Konfuse Zeugenaussagen aber untermauern nicht gerade die Glaubwürdigkeit des Zeugen.
„Die Widerstandshandlung ging nur von ihm aus“, sagte ein Beamter über den 22jährigen. Als der Ordnungshüter die Wohnung durchsuchen wollte, habe der Bewohner sich „nicht einsichtig“ gezeigt. Stattdessen habe er ihn mit einem „gezielten Fauststoß gegen die Stirn“ nach draußen drängen wollen. Außerdem ist die Polizei überzeugt: „Da war auch gesetzlich verbotene Musik zu hören. Unter anderem das rechtsradikale ,Horst-Wessel-Lied'.“
Der Angeklagte schien auch im Gerichtssaal kaum einsichtig. „Alles 'n bißchen übertrieben“, kommentierte er die Anschuldigungen. „Ich hab mich nur leicht gewehrt, und da ham se gleich losgelegt, die Polizei.“ Mit der Justiz ist der Finsterwälder bereits mehrfach in Kontakt gekommen. Sein Strafregister ist für sein Alter lang und stellte seine Unschuldsbeteuerungen nicht ins beste Licht: Schon mehrfach ist er verurteilt worden, als er Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte leistete. Außerdem wurde der Glatzenträger mit verbotenen Nazi-Emblemen erwischt. Er saß bereits im Jugendgefängnis und verbüßt derzeit eine zweijährige Bewährungsstrafe . tin
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