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Bündnisgrüner Nachwuchs will der Partei einheizen

■ 40 jüngere Parteimitglieder fordern den Bruch mit den Traditionen der Grünen und verlangen eine „teilweise Auswechslung der Mitgliedschaft“. Parteilinke lehnt Forderung nach Ausschlüssen ab

Bonn/Berlin (taz) – Der parteiinterne Krieg um den Kosovo ist bei den Grünen kaum beendet, da beschert ein neues Programmpapier der Partei eine Spaltungsdiskussion. „Die Grünen sind in der Krise“, konstatieren vierzig junge Mandats- und Funktionsträger und fordern eine Modernisierungsdebatte. Dabei treten sie auch „für eine teilweise Auswechslung der Mitgliedschaft“ ein, schreiben die Unterzeichner, zu denen die Bundestagsabgeordneten Cem Özdemir, Katrin Göring-Eckardt und Matthias Berninger aus dem Lager der Realos gehören. Die angegriffene Parteilinke reagierte sofort. „Diese Formulierung ist ja der Hinweis, daß wir aus der Partei verschwinden sollen“, sagte im taz-Interview Christian Simmert, der als Kriegsgegner in der Bundestagsfraktion zu den Wortführern der Regierungskritiker zählt. Diesen Gefallen werden man den Realos aber nicht tun. Auch Vorstandssprecherin Antje Radcke warnte mit Blick auf das Papier der jungen Grünen: „Ich habe die Befürchtung, daß versucht wird, einen Teil der Partei auszugrenzen.“ Neue Flügelkämpfe seien schädlich, sagte Radcke.

Berninger verteidigte die Forderung nach einem Auswechseln von Teilen der Mitgliedschaft. „Ich bin nun wirklich der letzte, der ein Freund stalinistischer Säuberungen ist“, sagte er der taz. Trotzdem gehe es nicht an, daß manche Grüne öffentlich dazu aufriefen, die eigene Partei nicht zu wählen, wie es während des Kosovo-Kriegs geschehen sei. Die „Vielsprachigkeit unserer Partei“ müsse aufhören. Es sei „absolut nötig“, daß die Grünen sich darauf konzentrierten, „Dienstleistungspartei zu sein“.

Mit dem Papier wollen die Unterzeichner offenbar die politische Richtung von Außenminister Joschka Fischer unterstützen. Cem Özdemir betonte, das Dokument sei zwar mit Fischer nicht abgesprochen, vieles darin stimme aber mit dessen Vorstellungen überein. Trotzdem kommen in der Analyse auch die Realos nicht ungeschoren davon. Während es den Linken in der Partei an Machtwillen und Realitätssinn fehle, „ist bei vielen Realos fraglich, ob hier noch etwas über den Machtwillen hinaus verblieben ist“. Ohne Beispiele zu nennen, kritisieren die Autoren den Umgang der Führungskräfte mit Parteibeschlüssen. „Das Verabschieden von Programmen ist insbesondere von den Realos als Abstimmung über folgenlose Ziele verstanden worden, die jedem Kompromiß zugänglich sind.“

Ausführlich gehen die Autoren des Papiers mit dem linken Flügel und der Gründergeneration der Grünen ins Gericht, beklagen Führungsschwäche, fordern eine Abkehr von überkommenen Politikzielen und verlangen eine Reform hin zu einer modernen, liberalen Regierungspartei. „Die neue Positionierung wäre eine klare Kampfansage an die FDP“, heißt es in dem Papier: „Wir wollen das brachliegende geistige Erbe des verantwortungsvollen Liberalismus aufnehmen.“ Aus Sicht der Jungen genügen die Grünen nicht den Ansprüchen an eine Regierungspartei. „Die Grünen haben die organisierte Verantwortungslosigkeit zum Königsweg erklärt“, heißt es. Die Schuld an dem Chaos treffe vor allem die Gründergeneration, die „das Ritual der alternativen Bewegung“ pflege. An die 68er in der Partei appellierten sie: „Hört auf, uns und die Republik mit den Geschichten von damals zu quälen.“

Zugleich mit Bekanntwerden des Papiers gerät der grüne Umweltminister Jürgen Trittin auch in der eigenen Partei immer stärker unter Beschuß. Kritiker werfen ihm nach dem Scheitern der EU-Altautoverordnung Schwäche und mangelnde Zusammenarbeit mit der Bundestagsfraktion vor. „Trittin verfolgt einen sehr konfrontativen Politikstil, der nicht mehr zeitgemäß ist“, sagte der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Reinhard Loske, zur Bild am Sonntag. Das Grundvertrauen zwischen ihm und Bundeskanzler Schröder scheine angekratzt zu sein. Es sei wichtig, Allianzen zu schmieden oder das Gespräch mit Fraktions- und anderen Kabinettsmitgliedern zu suchen. Auch der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Cem Özdemir, griff Trittin an: „Um möglichst viel herauszuholen, muß ein Minister stark sein. Und da gibt es wirklich ein Problem.“

Unter dem Druck von Schröder und der Automobilindustrie hatte sich Trittin entgegen eigener Überzeugung in Brüssel gegen die EU-Altautoverordnung eingesetzt. Grünen-Mitbegründer Daniel Cohn-Bendit hatte ihm danach den Rücktritt nahegelegt. Trittins langjähriger Rivale, Außenminister Joschka Fischer, verteidigte hingegen den Umweltminister. Trittin habe eine schwere Zeit durchzustehen. „Ihm gehört meine volle Solidarität“, so Fischer. Jens König/Patrik Schwarz

Tagesthema Seite 3

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