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EU-Umweltschutz unter Grün vertrocknet

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft war umweltpolitisch ein Mißerfolg: schlechtes Management, mieser Stil und kaum Einsatz auf der politischen Ebene. Umweltverbände finden nur wenig Positives  ■   Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Ein negatives Fazit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zogen gestern Umweltverbände: Vor allem das Kanzleramt habe eine Reihe von Peinlichkeiten herbeigeführt, bemängelt Anja Köhne, EU-Koordinatorin des Deutschen Naturschutzringes (DNR). „Ein trauriges Kapitel“ in Sachen Umwelt nennt Stephan Singer, Europaexperte vom WWF, schlicht die deutsche Ägide.

Aber ist das gerecht? Wurde diese Ratsperiode nicht von anderen Themen überrollt? Nach zehn Wochen trat die EU-Kommission komplett zurück, kurz darauf kam der Kosovo-Krieg. Überraschend schnell fand Kanzler Gerhard Schröder einen neuen Kommissionspräsidenten. Im Kosovo-Krieg gelang es, eine einheitliche EU-Position durchzuhalten. Die Regierung brachte das Reformpaket Agenda 2000 unter Dach und Fach – wenn auch nicht mit den erhofften Einschnitten bei den Agrarsubventionen. Da war Frankreich vor.

Ist es also fair, der Bundesregierung eine mangelhafte Leistung im Umweltschutz vorzuhalten? Ja, denn Bonn hatte durchaus einen Spielraum, nutzte ihn aber nur kontraproduktiv. Drei Beispiele illustrieren das: die Harmonisierung der Ökosteuer, die Abschaffung des zollfreien Einkaufs und die Altautoverordnung.

Die EU-Ökosteuer war von Rot-Grün zum Ökothema schlechthin erklärt worden. Tatsächlich haben sich die deutschen Beamten redlich bemüht, die Südländer zu überzeugen, die seit Jahren blockieren. Doch weder die zuständigen Finanzminister noch der Bundeskanzler mischten sich hier offensiv ein.

Und das nicht, weil es keine Gelegenheit gegeben hätte: Bei Duty-free hatte sich Schröder persönlich (und vergeblich) für die zweifelhafte Fortsetzung von Subventionen für die Airport-Schnapsbuden eingesetzt, die Altautoverordnung blockierten Schröder und Trittin gemeinsam und erfolgreich. Da waren plötzlich die Spielräume da, sowohl Großbritannien als auch Spanien zu gewinnen.

Voller Einsatz also für „wirtschaftspolitisch und ökologisch unmoderne Anliegen“, wie Köhne vom DNR sich ausdrückt. „Beide Male stellte die Bundesregierung Einzelinteressen über einen gesamtwirtschaftlichen Ansatz“.

Gleich beide Umweltministerratssitzungen wurden durch den deutschen Vorsitz schwer belastet. Bereits bei der ersten im März sorgte die Vertagung der beschlußfertigen Altautoverordnung für Unmut. Kurz darauf, gegen Mittag, mußte der Vorsitzende Trittin die Sitzung verlassen, um in Bonn die Situation nach dem Rücktritt von Finanzminister Lafontaine zu beraten. Kein geschicktes Verhalten, wenn man seine „Vorstellungen von einer ökologischen Modernisierung der Wirtschaft einbringen“ will, wie Trittin noch im Dezember getönt hatte. Auf der zweiten Sitzung vergangene Woche hatte Trittin schließlich nichts Besseres zu tun, als im Auftrage des Kanzlers seine Rolle als Vorsitzender zu mißbrauchen, um Zeit zu schinden, bis genug Stimmen gegen die Altautoverordnung gesammelt waren.

Und auch hinter den Kulissen hat sich Trittins Ministerium nicht gerade mit Ruhm bekleckert: „Das Engagement der Leute unter Merkel war höher“, diagnostiziert Stephan Singer. Der Grund: Auch auf europäischer Ebene habe der Minister nicht genug getan, um den Dialog zu suchen und Impulse zu geben. Die ökologische Dimension der Agrarreform in der Agenda 2000 habe Trittin sogar „glatt verschlafen“. Und die wichtigste umweltpolitische Entscheidung mußte gar gegen den anfänglichen Widerstand Deutschlands durchgesetzt werden: das Quasi-Moratorium für die Freisetzung von Genpflanzen.

Da nimmt es fast wunder, daß die Umweltverbände doch ein paar Highlights finden: die strategische Umweltverträglichkeitsprüfung etwa, die endlich auf dem Weg gebracht wurde. Na immerhin. So endet morgen die deutsche Präsidentschaft – zusammen mit dem zollfreien Einkauf.

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