Interview: „Wieso Versöhnung?“
■ Hakki Keskin, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde, zum Öcalan-Urteil
taz hamburg: Sie fordern die Türkei auf, den PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan „großherzig“ nicht hinzurichten. Gleichzeitig signalisieren Sie Verständnis für das Urteil. Warum?
Hakki Keskin: Verständnis würde ich es nicht nennen. Die türkischen Gesetze sind nun einmal so, daß jemand, der einen tausendfachen Mord zu verantworten hat, verurteilt wird. Die PKK hat versucht, das tausendjährige friedliche Zusammenleben von Türken und Kurden zu zerstören. Ihr Terror hat 30.000 Opfer gefordert.
Sind für Sie Zehntausende getötete kurdische Zivilisten keine Opfer?
Doch, das sind auch Opfer infolge des PKK-Terrors.
Was ist mit dem Terror der türkischen Armee gegen kurdische Dörfer, gegen Kinder?
Wovon reden Sie? Die Armee ist Sicherheitsorgan eines legitimen Staates, der nun einmal das Gewaltmonopol hat. Sicher hat es Übergriffe gegeben, aber gegen die Verantwortlichen ist ermittelt worden. Kinder hat die türkische Armee nicht getötet.
Wer war es denn dann?
Die PKK natürlich. Die ist undifferenziert gegen Soldaten und Zivilbevölkerung vorgegangen.
Wie wollen Sie eine Versöhnung erreichen, wenn Sie die Verbrechen des türkischen Staates leugnen? Es gibt ja auch den Vorschlag, beide Seiten sollten sich vor einem internationalen Tribunal verantworten.
(lacht) Wieso Versöhnung? Das Problem besteht in einer ungleichen Entwicklung der Regionen in der Türkei. Man muß die Osttürkei jetzt gezielt fördern. Der PKK-Terror hat bisher Investoren abgeschreckt. Auch die kulturellen Rechte der Kurden müßten gewährt werden. Ein Tribunal wäre absurd. Die Türkei ist keine Diktatur. Dort gibt es freie Wahlen.
Wahlbeobachter haben anderes berichtet.
Davon ist mir nichts bekannt.
Auch deutsche Politiker, darunter Ihre SPD-Parteigenossen, haben die Türkei kritisiert.
Was interessiert mich das? Viele analysieren die Lage dort einseitig und falsch. Natürlich gibt es Menschenrechtsdefizite. Ich sehe jetzt aber eine Chance für eine Demokratisierung: Bisher wurde diese vor allem durch den PKK-Terror verhindert.
Fragen: Heike Dierbach
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