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Für Knäste ist noch Geld da

Justizhaushalt steigt 2000 geringfügig. Senatorin Peschel-Gutzeit kündigt Gefängnisneubau an – ein Standort steht noch nicht fest  ■ Von Elke Spanner

Hamburg baut ein weiteres Männergefängnis. Ab dem Jahr 2004 soll mit der Errichtung der Anstalt begonnen werden, die Platz für 350 Insassen bieten soll. Das kündigte Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) gestern an, als sie den Haushalt für das kommende Jahr präsentierte. Ein Standort für das neue Gefängnis steht noch nicht fest.

In den Finanzplan für das Jahr 2004 wird eine erste Rate in Höhe von zehn Millionen Mark für den Knastneubau eingestellt. Der sei wegen der Überbelegung der Hamburger Gefängnisse dringend erforderlich, so Peschel-Gutzeit: „Seit 1992 hat sich die durchschnittliche Belegung drastisch um fast 500 Insassen erhöht.“ Die Zahl der in Hamburg begangenen Straftaten hat jedoch seither nicht zugenommen, 1998 ist sie sogar zurückgegangen. Laut der polizeilichen Kriminalstatistik wurden im vorigen Jahr 283.842 Delikte und damit 13.692 weniger begangen als 1997.

Daß dennoch immer mehr Menschen im Gefängnis landen, erklärt Justizsprecherin Annette Pflaum mit einer „Tendenz zu härteren Strafen“: „Die Gerichte verhängen mehr und auch längere Freiheitsstrafen.“ Zudem sei Anfang 1998 ein Gesetz in Kraft getreten, demnach Sexualstraftäter und andere zu mindestens einem Jahr Knast Verurteilte vor ihrer Entlassung auf Bewährung von einem externen Sachverständigen begutachtet werden müssen. Darunter fallen auch Gefangene, die wegen Drogengeschäften einsitzen – ein Großteil der Hamburger Insassen. Seither gibt es laut Pflaum einen „Entlassungsstau“.

Senatorin Peschel-Gutzeit hatte zwar zu Beginn ihrer Amtszeit zum Ziel erklärt, alternative Sanktionsformen zu schaffen, um Haftstrafen zu vermeiden. So soll ab dem kommenden Jahr die „elektronische Fußfessel“ erprobt werden, durch die Straftäter in den eigenen vier Wänden elektronisch überwacht werden. Außerdem will Peschel-Gutzeit Verurteilten, statt sie ins Gefängnis zu schicken, den Führerschein entziehen. Doch selbst diese Maßnahmen, bedauerte die Senatorin gestern, könnten der Zunahme der Gefangenenzahlen nicht entgegensteuern. „In ganz Europa müssen zur Zeit neue Anstalten gebaut werden“.

Zusätzlich zum Neubau soll weiterhin die Kapazität der bereits bestehenden Gefängnisse ausgebaut werden. In den Anstalten in Fuhlsbüttel sollen baldmöglichst 65 weitere Plätze zur Verfügung stehen. Wenn ab kommenden Sommer die offene Anstalt auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Neuengamme nach Billwerder verlegt wird, sollen dort 380 und damit rund 70 Plätze mehr geschaffen werden als ursprünglich geplant.

Wegen der erhöhten Gefangenenzahlen und der Belastung der Staatsanwaltschaft steigt der Justizhaushalt 2000 geringfügig um 475.000 auf rund 717 Millionen Mark. Senatorin Peschel-Gutzeit stellte gestern zwei neue Projekte vor: Ab heute werden Gefangene Schulen und Kindergärten renovieren. Statt mit Geld werden sie mit Freistunden entlohnt. Zudem hat der „Hamburger Fürsorgeverein“ ein Notruftelefon eingerichtet, das Gefangene im Fall von Gewalterfahrungen im Knast anrufen können.

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