: Die nächste Wohnungsnot kommt bestimmt
■ Wohnungsmarkt verkehrt: Studie von Stadtentwicklungssenator Strieder warnt vor dramatischer Situation für bedürftige Haushalte
Allenthalben ist von der Entspannung des Berliner Wohnungsmarktes zu hören. In Wirklichkeit jedoch droht der Stadt in den nächsten Jahren eine dramatische Entwicklung im Sektor sozialer Wohnungsbau. Dies geht aus dem Entwurf des Stadtentwicklungsplans (StEP) Wohnen hervor, der der taz vorliegt.
In dem Plan, der demnächst von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) veröffentlicht werden soll, wird vor allem die Abnahme an belegungsgebundenem Wohnraum beklagt. Während derzeit noch 362.000 der insgesamt 1,6 Millionen Berliner Wohnungen belegungsgebunden sind und nur an Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) vergeben werden dürfen, wird diese Zahl bis 2014 auf 176.000 sinken. Damit, so die Prognose der Stadtentwicklungsverwaltung, würde bei einer gleichbleibenden Zahl von 755.000 WBS-Berechtigten die „rechnerische Versorgung“ bedürftiger Haushalte von 48 Prozent auf 23 Prozent sinken.
Doch das ist nach Angaben des Stadtentwicklungsplans nur die optimistische Prognose. Realistisch betrachtet, werde der Bedarf nach belegungsgebundenem Wohnraum in Zukunft „eher zunehmen“. „Sofern hier nicht gegengesteuert wird“, lautet das Fazit der Autoren des Plans, der als Orientierung für die Wohnungspolitik der kommenden Jahre gelten soll, „wird sich die Wohnraumversorgung der benachteiligten Haushalte nachhaltig verschlechtern“.
Die im StEP Wohnen formulierte Warnung steht im diametralen Gegensatz zur derzeitigen Wohnungspolitik des Senats. So hat kürzlich erst Bausenator Jürgen Klemann (CDU) die Belegungsbindung für 70.000 Wohnungen im Ostteil der Stadt abgeschafft. Statt 45 Prozent der frei werdenden Wohnungen im Bestand der städtischen Wohnungsgesellschaften sollen künftig nur noch 25 Prozent an Inhaber eines WBS vergeben werden. Als Begründung nannte der Bausenator den wachsenden Leerstand in den Plattenbaubezirken. Außerdem würde der hohe Anteil an belegungsgebundenem Wohnraum Verslumungstendenzen befördern.
Die Studie hält aber nicht nur die Aufhebung der Belegungsbindung für problematisch. Ausschlaggebend für die drohende Verschlechterung auf dem Wohnungsmarkt seien auch „die Verringerung preiswerter Altbaubestände durch Privatisierung und Modernisierung“ sowie ein „stark reduzierter Mietwohnungsneubau“. Letzteres ist dabei auch als Kritik am eigenen Senator zu verstehen, der sich bereits 1997 für eine Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus eingesetzt hatte.
Als Begründung nannte Strieder damals den mangelnden Bedarf aufgrund der entspannten Lage auf dem Wohnungsmarkt. Mit dem Prognosen im Stadtentwicklungsplan Wohnen wird jedoch eine Entwicklung fortgeschrieben, die das Forschungsinstitut Topos Ende vergangenen Jahres auch in Kreuzberg festgestellt hat. Uwe Rada
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