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Kritik an Ausreise-Aufforderung

■ „Straffälliger“ Italiener soll Oldenburg jetzt verlassen /Europäische Kommission in Bonn interveniert / Streit um Aufenthaltsgenehmigung

Oldenburg. Die Freizügigkeit in den Ländern der Europäischen Union sei auch für EU-Bürger nicht grenzenlos. Darauf hat gestern die Stadt Oldenburg hingewiesen. Die Kommune wies damit Vorwürfe zurück, sie habe mit der Aufforderung zur Ausreise gegen einen Italiener gegen geltendes EU-Recht verstoßen.

Auch EU-Bürger müßten sich für einen Aufenthalt in einem EU- Nachbarland von mehr als drei Monaten Dauer eine Aufenthaltsgenehmigung erteilen lassen, erläuterte der für das Ausländeramt der Stadt zuständige Oldenburger Erste Stadtrat Eckart Otter. Der Bezug von Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld könne zum Entzug der Aufenthaltserlaubnis führen. Auch bei schweren oder wiederholten Straftaten mit Wiederholungsgefahr könne im Einzelfall die Ausreise angeordnet werden. Letzte Konsequenz bei Nichtbeachtung dieser Anordnung könne die Abschiebung sein.

Anlaß für die Klarstellung sind Meinungsverschiedenheiten mit der Vertretung der Europäischen Kommission in Bonn. Der seit 1967 in Deutschland lebende Mann beziehe Arbeitslosenhilfe und habe ein Recht auf eine Aufenthaltserlaubnis. Nach Ansicht der Stadt begründet die Arbeitslosenhilfe dagegen – anders als der Bezug von Arbeitslosengeld – keinen Anspruch auf Aufenthalt. Die Unterstützung sei mit Sozialhilfe gleichzustellen, die eine Kommune unter bestimmten Bedingungen zur Ausreiseverfügung berechtige. Die Bezirksregierung Weser-Ems und das Niedersächsische Innenministerium teilten die Auffassung der Stadt, erklärte Stadtrat Otter jetzt in diesem Zusammenhang

Der Italiener hatte im Mai eine Aufenthaltserlaubnis beantragt. Seine zuletzt gültige, auf fünf Jahre befristete Genehmigung war 1995 erloschen. Die Stadt verweigerte eine neue Genehmigung und begründete, der Antragsteller sei „seit der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland straffällig geworden“. Mit einer Dauer von mehr als einem Jahr sei sein Aufenthalt ohne gültige Erlaubnis illegal. Mit dem Bezug von Arbeitslosenhilfe verfüge er außerdem nicht über ausreichende Existenzmittel. Daher könne er sich bei seinem Antrag nicht auf die EU-Freizügigkeitsverordnung berufen.

Nach den Angaben der Stadtverwaltung werden Verfahren zum Entzug der Aufenthaltserlaubnis in vielen Fällen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Polizei ausgelöst. Das gelte auch für den strittigen Fall. Daneben bearbeite das Ausländeramt gegenwärtig vier weitere Fälle. Dabei seien ebenfalls EU-Bürger betroffen. In allen Fällen müsse von einem kriminellen Hintergrund im Drogenmilieu ausgegangen werden, hieß es gestern. Die Abschiebung eines EU-Ausländers aus Oldenburg habe es in den vergangenen zehn Jahren erst ein Mal gegeben. Betroffen war ein Niederländer. Er war wegen Mordes verurteilt worden. dpa

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