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Die gelähmten Journalisten

Obwohl es in Serbien keine offene Zensur gibt, stehen die Zeitungen weiterhin treu zum Milosevic-Regime. Nur in der Provinz begehren Journalisten auf  ■   Von Karl Gersuny

Zwei Wochen „Pressefreiheit“ haben noch nichts bewirkt. Belgrad ist auch nach Aufhebung des Kriegsrechts und der offiziellen Zensur gleichgeschaltet. Nicht nur westliche Blätter sucht man an den Kiosken vergeblich. Belgrad ist vielleicht die einzige Hauptstadt der Welt in der der Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften aus dem eigenen Land verboten ist. Albanische Printmedien aus dem Kosovo, Blätter aus der Teilrepublik Montenegro und der nordserbischen Vojvodina gibt es einfach nicht. Das Regime hat offenbar Angst, daß die Hauptstädter mitbekommen, wie sich in der aufmüpfig gewordenen Provinz der Protest artikuliert. Immerhin ist das Provinzradio Cacak in einigen Stadtteilen zu empfangen, aber je nach Wetter nur nachts. Auch das Provinzradio Pancevo, das nicht treu der Belgrader Linie folgt, kriegen nur Experten rein.

Wer allein auf Belgrader Medien angewiesen ist, kann verzweifeln. Das legendäre Alternativ-Radio B 92 wurde mit Beginn des Nato-Luftkrieges abgeschaltet, Radio und TV-Studio B schwenkten voll auf Regierungskurs um – wie auch fast alle Printmedien.

Nach dem Krieg blieben auch ehemals kritische Medien auf Linie. Dabei gibt es in Serbien keine offene Zensur mehr. Doch obwohl in der Hauptstadt in der Vergangenheit die Opposition gegen Milošovic am verbreitetsten war, beherrscht Lähmung die Journalisten. Vielleicht ist es der Schock, den der Krieg auslöste, vielleicht die Tatsache, daß auch viele oppositionelle Köpfe wie die B-92-Leute ins Exil gingen. Relativ Kritisches bringt derzeit nur die Tageszeitung danas mit einer Mini-Auflage von 6.000 Stück oder das Boulevard-Blatt Blic (immerhin 15.000 Exemplare). Das Literaturblatt Rec und das Monatsheft Rebublika drucken gerade 500 Stück.

Im ehemaligen Oppositionsflaggschiff, dem Wochenmagazin Vreme ist ein heftiger Richtungsstreit entbrannt. Eine anti-westliche Fraktion sucht eine gewisse Nähe zum Miloševic-Regime. Eine radikale Gruppierung müht sich nun um die Gründung einer „Anti-Vreme“. Die Autoren, angeführt vom Starkolumnisten Stojan Cerovic und Reporter Dejan Anastasijevic wollen ein neues Wochenmagazin starten, haben bislang jedoch noch keine Unterstützer gefunden – auch nicht bei den oppositionellen Politikern.

Während in Vreme noch debattiert wird, wie man sich in einer Diktatur als Journalist verhalten sollte, macht sich die Mehrheit der Schreiber kaum Gedanken über ihre Rolle. Nach dem Nato-Krieg gegen Serbien sind die Fronten klar: Alle Serben sind Opfer einer Weltgemeinschaft, die sich gegen das Serbentum verschworen habe. Fast alle Medien sind sich darüber einig, daß die Greuelgeschichten aus dem Kosovo westliche „Erfindungen“ sind. Und deshalb muß man sich über das Leid der Albaner auch nicht kümmern. Es ist erstaunlich, wie selten überhaupt nur das Wort „Albaner“ erwähnt wird, selbst in Berichten über das Kosovo. In Reportagen über die südserbische Provinz, kommen nur Serben zu Wort. Da sich selbst regimekritische Journalisten mit der Wahrheit schwer tun, hat das Regime bislang keinerlei Mühe, den Medienmarkt voll zu kontrollieren. Die aufmüpfigen Stimmen aus der Provinz stören noch nicht.

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