■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Revolte der Heckenschützen
Da blieb dem Mann die Spucke weg: 88 Stimmen hatten CDU und SPD zusammen in der Bürgerschaft am Tag der Wahl des Senats, nur 71 Stimmen bekam der CDU-Spitzenkandidat Hartmut Perschau. Hat irgend jemand in der SPD was gegen den CDU-Mann? Das jedenfalls ist nicht auffällig geworden und Perschaus Reaktion richtete sich auch nicht gegen die SPD.
Sicher ist nämlich, daß einige in der CDU-Fraktion etwas gegen Perschau haben. Seitdem der bisherige Fraktionsvorsitzende Ronald-Mike Neumeyer bei der Kampfabstimmung zum Fraktionschef-Posten mit 16:26 durchfiel, hängt der Haussegen schief in den christdemokratischen Freundeskreisen Bremens. Neumeyer bat verbittert darum, in der letzten Reihe im Parlament sitzen zu dürfen, man ließ ihn auf den Platz, von dem aus man nur den Lümmel spielen kann.
Sogar bei der internen Abstimmung in der CDU-Fraktion über deren Senatoren wurden vier Gegenstimmen gezählt. Aber nun 17 Stimmen??? Siebzehn ist ungefähr so viel wie die sechzehn, die sich nicht dem Neumann-Diktat für Jens Eckhoff unterwarfen. Perschau (wie Hattig) hatten sich als Neumann-Getreue erwiesen und offen gegen Neumeyer gestellt. Daß Bernt Schulte, der CDU-Bausenator, mit 84 Stimmen glatt 13 mehr bekam als Perschau, bestärkt den Eindruck, daß hier ein gutes Drittel der CDU-Fraktion ihrem Spitzenkandidaten bei der Wahl in den Senat die gelbe Karte zeigen wollte.
Aber warum siebzehn, warum fehlte sogar eine Stimme mehr? Der Wahlvorgang ist so streng vertraulich, daß darüber nur spekuliert werden kann.
Eigentlich liegt es aber auf der Hand: Auch den Sozis ist es nicht entgangen, daß es CDU-intern Gegenstimmen geben würde. Was lag da näher als der Gedanke, unter dem Deckel des Wahlgeheimnisses die CDU-Revolte ein wenig anzufeuern? Vielleicht haben sogar mehrere Sozis das CDU-Feuer angeheizt und nicht alle sechzehn, die sich im Widerstand gegen Eckhoff hinter Nölle versammelten?
Als Heckenschützen-Aktion mit heimlichen SPD-Flankenschutz endete so, was mal die große Revolte werden sollte. „Der Neumann fummelt da überall rum“, hatte sich Nölle vor vier Jahren einmal beschwert und hinzugefügt: „Bernd Neumann hat große Angst, daß ich mal gegen ihn als Parteivorsitzender antrete.“ Davor muß der Bernd Neumann nun keine Angst mehr haben, findet
Ihre Rosi Roland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen