piwik no script img

Der Schwarzhandel inmitten der Hauptstadt

■ Zum zweiten Mal hatten gestern fünf Geschäfte in den Potsdamer-Platz-Arkaden geöffnet

Der Verkauf geht weiter! Selbstbewußt rezitiert der Verkäufer von „Monika Fischer Moden“ in den Potsdamer-Platz-Arkaden das Politikerwort von der Weltstadt Berlin. Derweil klingelt es in der Kasse. Es ist Sonntag, 13 Uhr. Zum zweiten Mal haben in der Shopping-Mall fünf Geschäfte geöffnet, als Vorreiter im Kampf für eine Liberalisierung des Ladenschlußgesetzes.

Während bei „Monika Fischer Moden“ Kleider und Hemden über den Ladentisch gehen, ist die Verkäuferin bei „Ulla Popkens – junge Mode ab Größe 42“ vorsichtiger. „Schautag 10 bis 17 Uhr“ hängt an einem Schild an der Eingangstür. Die Zentrale, so die Verkäuferin, habe die Devise ausgegeben: öffnen, aber nicht verkaufen. Die Vorsicht hat ihren Grund. Zwar hat der Senat im Juni beschlossen, halb Berlin zur touristischen und damit zur Sonntagsverkaufszone zu erklären. Allein, der Beschluß ist noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht. Gleichwohl duldet der Senat den Schwarzhandel am Potsdamer Platz. „Von der Gewerbeaufsicht war noch keiner da“, sagt einer der Händler, die geöffnet haben, „toi, toi, toi.“

Die können aber auch noch kommen, wenn die Sonntagsregelungen in Kraft getreten ist. Schließlich sollen in Touristengebieten Touristen vor allem mit touristischem Bedarf versorgt werden. Und der besteht laut Gesetz aus Tabakwaren, Bademoden, Milchprodukten, Andenken, alkoholfreien Getränken und ähnlichem.

Doch die Verkäuferin von „Ulla Popkens“ hat schon ihre Definition gefunden. „Wenn jemand mit einem Rock an den Badestrand gehen möchte, ist das etwa keine Bademode?“ fragt sie. Und sie fragt weiter: „Warum soll ich mir am Sonntag die Lunge kaputtrauchen, mich aber nicht schön anziehen dürfen?“ Der Verkäufer von „Fischer Moden“ hat unterdessen eine Definition für sich gefunden: Für Touristen, sagt er, ist eh' alles ein Andenken.

Den Touristen ist das allerdings egal. Sie wollen auch am Sonntag kaufen und füllen artig die Unterschriftenlisten der Händler mit ihren Autogrammen. „In jeder Weltstadt kann man sonntags einkaufen“, meint ein Mittzwanziger, der den Tag nach der Love Parade mit Arkaden-Shopping zubringt. Doch das Angebot befriedigt ihn nicht. Statt zu „Eddie Bauer“, „La Bottega di Mamma Ro'“ oder der „Lederbörse“ wäre er lieber zu H & M gegangen. Doch die haben geschlossen. Auch am zweiten Sonntag des Arkaden-Schwarzhandels. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen