: Guckloch in die 20er
■ „Wir sind so jung – so sonderbar“: eine Ausstellung über Klaus Manns Zeit an den Kammerspielen
Lange war er ja nicht in der Hansestadt, der Dichtersohn. Aber lange und oft genug, um eine konfliktreiche Affäre mit Hamburg zu beginnen, die schließlich noch seinen Tod überdauerte. Anläßlich des 50. Todestages von Klaus Mann wird die Ausstellung Wir sind so jung – so sonderbar in der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky gezeigt, die das Wirken des Jungschriftstellers an den Kammerspielen beleuchtet. Wie ein Guckloch gewährt sie einen kurzen Blick auf den Klaus Mann im Hamburg der 20er Jahre.
Im Oktober 1925 wagten die Kammerspiele, 1918 gegründet und in den 20er Jahren tonangebend, die Uraufführung des dramatischen Erstlings Anja und Esther. Regie führte Gustaf Gründgens, der damalige Star des Hauses. Neben dem 19jährigen Autor gehörten dem Theaterquartett außerdem Erika Mann und Pamela Wedekind an. Die Kritik an der Skandalaufführng war harsch. Es hagelte Verisse an dem „Werk eines jungen Menschen aus der Pubertätszeit“. Dekadent und ignorant sei der Knabe, so das einhellige Urteil. Dokumentiert wird noch ein weiterer Berührungspunkt zur Stadt: Von dem Verleger Kurt Enoch wurde 1925 Vor dem Leben, Manns erstes Prosa-Werk veröffentlicht, das unter anderem wegen der explizit geschilderten Exzesse die Gemüter erregte. Sechs Titel erschienen bei dem hiesigen Verlag.
Einen flüchtigen Blick kann der Betrachter auch auf das wilde, nächtliche Hamburg in den Golden Twenties werfen. Auf dem Kiez wurde Charleston getanzt, die skandalösen Vier trieben sich auf Matrosen-Dancings und Künstlerparties im Curio-Haus herum. Die Haßliebe zur Stadt offenbarte sich endgültig erst – zwei Jahrzehnte nach Manns Freitod – im Prozeß um den Mephisto-Roman, der 1968 in Deutschland verboten wurde.
Die Ausstellung bringt Licht in eine ambivalente Symbiose. Schade nur, daß die Exponate zum Teil nicht beschriftet sind und der Ursprung einiger Zeitungsausschnitte im Dunkeln bleibt.
Anna von Villiez
„Wir sind so jung – so sonderbar“, bis zum 21. August 1999, Katalogsaal der Staats- und Universitätsbibliothek
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