piwik no script img

„Macht mal ordentlich Krach“

■ Die Gewerkschaft ÖTV organisierte Protest-Aktion der Kita-Kinder gegen Spar-Gutachten / Nicht nur beim Essen und der Reinigung, auch in der Verwaltung sieht die Wibera Spar-Potentiale

Seit einer Woche liegt das Gutachten zu drohenden Kürzungen im Kita-Bereich auf dem Tisch der Sozialsenatorin, streng vertraulich. Das sei ein „Entwurf“, wird offiziell gesagt. In Gesprächen mit den Gutachtern von der Wibera soll festgestellt werden, was für die Endfassung noch verändert werden muß. Erst im September will sie neue Sozialsenatorin Hilde Adolf die Katze aus dem Sack lassen.

Aber weil die Kitas und auch ihre Gewerkschaft ÖTV, in der Kita-Mitarbeiterinnen organisiert sind, schon wissen, was in dem Papier steht, haben sie gestern diverse Kita-Gruppen zu einer Protest-Kundgebung auf dem Marktplatz gerufen.

ÖTV-Personalrat Rainer Müller heizte die 400 kleinen und großen Demonstranten, ein: „Macht mal ordentlich Krach“, ruft der Mann aus dem ÖTV-Arbeitskreis den Knirpsen auf dem Domshof zu. Die ließen sich das nicht zweimals sagen und trommelten und pfiffen los.

Für die Knirpse war die Protest-Aktion ein großer Spaß. Sie bliesen Luftballons auf und sangen mit der Künstlerin Marjanne Behrens Kinderlieder. Zwischen „Auf der Mauer auf der Lauer ...“ und „Die Sau, die ich mal kannte ...“ liefen alle zu dem neuen Glascafé, das eigentlich an diesem Tag eröffnet werden sollte und ließen 100 Luftballons steigen. Die Kleinen schauten den bunten Ballons sehnsüchtig nach, den Neubau beachten sie nicht. „Wieder ein Prestigeobjekt für zehn Millionen Mark“, sagen die Pädagogen. Und in den Kindertagesheimen sollen 2,3 Millionen Mark gespart werden.

„Wenn 50 Stellen eingespart werden, können einige Horte nur noch halbtags öffnen“, sagt die Erzieherin Nicole Prevot aus der Neustadt. Die Folge: Die Kinder stehen vor der Tür, wenn die Schulen nicht verläßlich sind.

Bei der Behörde soll offenbar nicht gespart werden. An genauere Informationen, wieviel der Verwaltungsaufwand für die Kitas kostet, hat die Behörde die Gutachter nicht herangelassen. Zum Beispiel hat die Sozialbehörde vor zwei Jahren für alle Kitas teure Verwaltungs-Computer beschafft. Ziel war es, die Einrichtungen zu vernetzen und sowohl Verwaltung der Plätze wie die Berechnung der Eltern-Beiträge über EDV abzuwickeln, um bei dem erheblichen Zettel-Arbeitsaufwand zu sparen. Die Programme sollten sollte so gut sein, daß sie an andere Kommunen verkauft werden könnten, wurde damals erklärt. Aber auch nach zwei Jahren laufen sie in Bremen nicht. „Wir benutzen den Computer als moderne Schreibmaschine“, sagt der Leiter der Kita Thedinghauser Straße.

Was die ÖTV besonders auf die Palme bringt: Die Gutachter wollen bei den Reinigungskräften und bei den Küchen sparen. Und der Anspruch auf einen Kita-Platz soll auf eine „Kernzeit“ von täglich vier Stunden reduziert werden, alles andere könnte als „freiwillige Leitung“ preiswerter gemacht werden. Diese Idee stammt ursprünglich aus der Behörde selbst.

An die Stelle des staatlichen Versorgungs-Anspruches, kritisiert die ÖTV, soll nach dem Vorschlag der Gutachter ein marktwirtschaftliches Modell treten: Die Kommune schreibt die Leistung „Kitas“ aus und private Anbieter können sich bewerben. Wer bei vorgegebenen Standards den günstigsten Preis anbietet, würden den Zuschlag bekommen. Die ÖTV sieht allerdings gute Chancen, diesen Punkt noch aus dem Gutachten herauszubekommen, da auch die Sozialbehörde das nicht lesen will.

anh/K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen