: Ausschwingende Tiden
■ Eine Vorausschau auf mögliche Entwicklungen im Hollerland am Beispiel Hamburg. Dort wird die Aufhebung des Naturschutzes im Mühlenberger Loch in zweistellige Millionenhöhe gehen, wenn die DASA den Riesen-Airbus A3XX wirklich in Hamburg baut
In Hamburg tobt die Debatte um das Naturschutzgebiet „Mühlenberger Loch“, Deutschlands größtem Süßwasserwatt. Das Vogelschutzgebiet an der Elbe soll nach dem Willen des rot-grünen Senats zugeschüttet werden, um der DaimlerChrysler Aerospace AG (Dasa) die für den Bau des 550sitzigen Jumbos A3XX – so groß wie die Hamburger Bahnhofshalle – erforderliche Ausdehnung zu ermöglichen. Airbus will im Laufe dieses Jahres eine Entscheidung treffen. Fällt diese nicht für Rostock oder Toulouse, sondern für Hamburg, würde ein Drittel des Mühlenberger Lochs ab Beginn kommenden Jahres zugeschüttet. Schon jetzt feilt der Senat daran, „Ausgleichsflächen“ für die Baumaßnahme im benachbarten Niedersachsen aufzutun. Die Kosten werden ersten Berechnungen zufolge in zweistelliger Millionenhöhe liegen.
Für Bremen könnten juristische Entscheidungen über die Rücknahme des europäischen Naturschutzes in Hamburg spannend werden – denn auch in Bremen argumentieren PolitikerInnen mit Arbeitsplätzen und dem „Überleben Bremens als Bundesland“, wenn es um die Ansiedlung von Gewerbe im naturgeschützten Hollerland geht.
Als Ornithologe hat sich Dr. Thomas Mirow bislang nicht profiliert; aber er arbeitet daran. Denn für Vögel tut Hamburgs SPD-Wirtschaftssenator alles. Und wenn zum Wohle des Standorts, der Wirtschaftskraft und der Arbeitsplätze die Wasservögel aus dem Mühlenberger Loch zu verschwinden haben, dann sollen sie nicht nur eine neue Heimat bekommen, sondern derer gleich vier.
Auf Hahnöfersand, Twielenflether Sand, in der Haseldorfer Marsch und Hörner Au sollen Brandgänse, Löffel- oder Knickenten ausweichen, wenn etwa 170 Hektar der Elbbucht zwecks Erweiterung des Dasa-Werkes Finkenwerder zugeschüttet werden sollten. Das ist vom Senat vorgesehen, falls die Fertigung des Riesen-Airbus A3XX an Hamburg vergeben wird.
Auf diese ökologischen Ausgleichsflächen habe sich Hamburg mit den Nachbarländern Niedersachsen und Schleswig-Hol-stein verständigt, gab Mirow Ende Juni im Rathaus nach der Senatssitzung bekannt. Damit seien „die Voraussetzungen für einen Planfeststellungsbe-schluß geschaffen“, freute sich der Senator.
Zwei Drittel von Hahnöfersand sollen zu einem rund 100 Hektar großen Wattgebiet umgestaltet werden, das künftig das Hamburger Jugendgefängnis auf der zu Niedersachsen gehörenden Elbinsel umschließen würde. Dann können „unsere unfreiwilligen Gäste sich am Anblick von Löffelenten erfreuen“, kommentierte SPD-Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit, die den Senatsbeschluß „voll“ mitträgt.
Ebbe und Flut sollen auch die etwa 400 Hektar große Haseldorfer Marsch südlich der Gemeinden Hetlingen und Haseldorf zu einem ökologisch hochwertigen Feuchtgebiet „mit Süßwasserwatt und Flachwasserzonen“ machen. Dazu würde in dem nach der Sturmflut von 1976 erbauten neuen Deich bei Haseldorf ein Sperrwerk errichtet, „das lediglich Sturmfluten abwehrt“, ansonsten aber ein „freies Ein- und Ausschwingen der Tide“ über den Twielenflether Sand ermöglichte. Zusätzlich ist vorgesehen, die 375 Hektar große Hörner Au zwischen Elmshorn und Itzehoe zu einem Feuchtgebiet umzugestalten.
All das werde, so Mirows Hoffnung, für Wasservögel attraktive „Lebensgrundlagen im vernetzten Verbund“ schaffen, die den „Teileingriff“ ins Mühlenberger Loch mehr als ausgleiche, falls dieser erforderlich wird. Denn die erhoffte Auftragsvergabe für den Riesenairbus A3XX nach Finkenwerder, räumte Mirow ein, „ist noch völlig offen“. Es gebe aber ermutigende Signale. Er sei „optimistisch“, daß die Entscheidung des Airbus-Konsortiums „bald und positiv“ falle.
Die Koalitionspartner SPD und GAL begrüßten den Senatsbeschluß erwartungsgemäß; der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisierte ihn. Haseldorfer Marsch und Twielenflether Sand sind bereits Naturschutzgebiete mit schützenswerter Flora und Fauna, so BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Diese zu verdrängen, sei ja wohl „nicht der Sinn von Ausgleichsmaßnahmen“.
Sven-Michael Veit
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