: Schöner Wohnen im Reihenhaus der A-Klasse
■ Autos bauen können sie, nun kommen auch die Dörfer. Bei Ludwigsfelde baut Daimler bald das „Ludwigsdorf“, das erste von acht Dörfern. Ursprünglich war das Areal für ein Autowerk vorgesehen
Schaffen tun sie, die Schwaben, und Häusle bauen. An so viel Bodenständigkeit kommt nicht einmal der größte Schwabenkonzern vorbei. Gestern stellte die DaimlerChrysler Immobilien GmbH (DCI) zusammen mit dem Münchner Bauunternehmen Bayerische Hausbau die Pläne für das erste von insgesamt acht neuen Dörfern vor, die in der Ahrensdorfer Heide westlich von Ludwigsfelde gebaut werden sollen.
Wenn man so will, ist das Häuslebau-Engagement der Schwaben im südlichen Umland eine industrielle Altlast. Nachdem die Stuttgarter Autobauer nach der Wende ein Nutzfahrzeugwerk in Ludwigsfelde zurückbekommen haben, war die Euphorie groß. Weil das Werk nicht sanierungsfähig schien, sollte eine neue, gigantische Fertigungsstrecke, eine der modernsten auf der ganzen Welt, auf der grünen Wiese entstehen. Doch dann kam die Krise in der Automobilbranche, das alte Werk wurde doch wieder in Schuß gesetzt, und Daimler hockte plötzlich auf einem zehn Hektar großen Gelände.
„Damals“, erinnert sich Hans-Jürgen Ahlbrecht, Geschäftsführer der DaimlerChrysler Immobilien, „entstand die Idee, zusammen mit der Bayerischen Hausbau das Gebiet als Wohnstandort zu entwickeln“. Der freilich sollte ein ganz besonderer sein. „Wir wollen völlig moderne Wohnformen schaffen“, sagt Ahlbrecht, „etwas, was es in Berlin nicht gibt.“
Kein Wunder, daß sich die Bayerische Hausbau da als Partner kompetent fühlt. „Abheben von der üblichen Stangenware Reihenhaus“, will sich Ernst Uhl, der Geschäftsführer der Immobilienfirma, die in Potsdam das „Stadtpalais am Tiefensee“ gebaut hat und in Berlin-Mitte derzeit die Annenhöfe in die Höhe zieht. Das Vermarktungslabel „Dorf“ kommt da gerade recht. „Was das Ludwigsdorf von einem Wohnpark unterscheidet, meint Ernst Uhl, „ist der menschliche Charakter.“
In Zusammenarbeit mit seinen Hausarchitekten, dem Ostberliner Büro Kny und Weber, setzt Uhl aber auch auf das „positive Image“ des Daimler-Konzerns. So wird es im „Ludwigsdorf“ nicht nur Reihenhäuser der A-Klasse ab 325.000 Mark geben, sondern auch luxuriöse Einfamilienhäuser der S-Klasse ab 450.000 Mark. Entstehen soll dabei, so der frisch gedruckte Flyer, „ein urbanes Dorf mit verschiedenen Haustypen für individuelle Wünsche und für jede Geldbörse“.
Ein „urbanes Dorf“, das hört sich ebenso nach einem Widerspruch in sich an wie der Optimismus, inmitten des Immobilien-Haifischbeckens Speckgürtel mit derlei Projekten Erfolg zu haben. Was sowohl die Bayerische Hausbau als auch den Autokonzern erwartungsvoll stimmt, ist der geplante Anschluß der neuen Dörfer an den Regionalverkehr der Bahn AG. „Nur zwanzig Minuten zum Potsdamer Platz“, schwärmt etwa Mark Münzig, der Leiter des Stabs- und Rechtsbereichs von DaimlerChrysler. Voraussetzungen dafür sind allerdings die Trassenschließung bei Teltow sowie der Neubau des Regionalbahnhofs „Ludwigsfelde-West“. Letzterer wiederum ist zwar bei der Potsdamer Landesregierung und auch bei der Bahn AG bereits beschlossene Sache, allerdings nur, falls auch die anderen sieben Dörfer in den nächsten Jahren gebaut werden. „Ohne Nachfrage“, das muß auch Heinrich Scholl, der Bürgermeister von Ludwigsfelde einräumen, „kein Bahnhof.“
Folglich setzen die Projektentwickler erst mal auf die Vermarktung des ersten Dorfes mit dem beinahe bayerisch anmutenden Namen „Ludwigsdorf“. 300 Wohnungen sollen hier in einer Waldrandlichtung entstehen. Für ein zweites Dorf hat die Bayerische Hausbau auf dem Daimler-Gelände bereits eine Option. Ob schließlich auch die sechs anderen Dörfer inklusive eines Zentrumsbereichs am geplanten Bahnhof Ludwigsfelde-West gebaut werden, entscheidet die Nachfrage.
Die freilich ist laut Ernst Uhl hervorrragend. Immerhin arbeiteten in Ludwigsfelde über 6.000 Mitarbeiter des Daimler-Konzerns. Und 100 Interessenten hätten sich auch schon gemeldet, manche davon auch aus Bonn, so Uhl. Bonn ist auch ein wichtiges Stichwort für den Ludwigsfelder Bürgermeister. Langfristig soll die 23.000-Einwohner-Stadt einmal zum „Mittelzentrum“ mit 40.000 Bewohnern werden. Da kommen die Umzügler aus Bonn, egal wie wenig es sind, gerade recht.
Doch noch ist nicht aller Häuslebauer Abend. So unsicher bislang der Bau des neuen Bahnhofs ist, so ungeklärt ist auch die Erschließung des „Ludwigsdorfes“ nach Ludwigsfelde. Die von der für die Erschließung zuständige DCI geplante Straße führt nämlich über eine Fläche der Berliner Stadtgüter. Und die Berliner Finanzsenatorin ist bislang nicht bereit, diese Fläche zu verkaufen. „Wir befinden uns deshalb zur Zeit in einem Enteignungsverfahren gegen Berlin“, nennt das der Ludwigsfelder Bürgermeister Heinrich Scholl. Er rechnet damit, daß bereits im Juli nächsten Jahres die ersten Bewohner im „Ludwigsdorf“ wohnen.
Ob sich die Berliner Finanzverwaltung allerdings in die Knie zwingen läßt, ist nicht abzusehen. Schließlich fährt Annette Fugmann-Heesing keinen Mercedes, sondern einen popligen Opel.
Uwe Rada
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen