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Big Brother im Schlüsseldienst

„Mister Minit“ will die eigenen Beschäftigten filmen, und Budnikowsky schickt kranken MitarbeiterInnen Fragebögen  ■ Von Magda Schneider

Hamburgs Einzelhändler wünschen sich immer mehr die gläsernen Beschäftigten: Die Schlüssel- und Schusterkette „Mister Minit“ möchte gerne ihre MitarbeiterInnen „an der Front“ durch Videokameras überwachen, um die „Wirtschaftlichkeit“ zu erhöhen. Bei der Drogeriekette Budnikowsky sollen die MitarbeiterInnen nach der zweiten Arbeitsunfähigkeit in einem Jahr ihre persönliche Krankendaten dem Teamleiter offenlegen, um möglichst weitere Ausfälle zu verhindern.

Die Schreiben an die lieben MitarbeiterInnen klingen erstmal harmlos. So möchte „Mister Minit“-Chef Lothar Freyh ein Unternehmen schaffen, „in dem die Arbeitsplätze solide gesichert“ seien. „Hierzu ist eine starke Bindung an unsere Stammkundschaft absolute Voraussetzung“, schreibt Freyh. Die Mister Minit–Kette betreibt Läden in Käufhäusern und Einkaufszentren, wo mal eben ein Schlüssel nachgemacht oder ein kaputter Absatz repariert wird.

Um die „Verkaufsanalysegespräche im Team“ vorzubereiten, sollen Mitarbeiter durch Videokameras gefilmt werden, die allesamt in der Oberurseler Zentrale „online“ zusammenlaufen. Gleichzeitig diene die Überwachung dazu, „Zeitdiebstähle“ zu verhindern. Im Klartext: Angeblich „faule“ Mitarbeiter auszufiltern.

Für den Hamburger Datenschutzbeauftragten Hans-Hermann Schrader klar rechtswidrig. „Einfach drauflos zu übewrwachen geht nicht“, sagte er gestern der taz-hamburg. „Standige Vollüberwachung“ verstoße eindeutig gegen die Rechtsprechung. Um die angeblichen Ziele zu erreichen, gebe es Maßnahmen, die weniger in Persönlichkeitsrechte eingreifen.

Budnikowsky möchte gern den Krankenstand bei seinen 1.500 MitarbeiterInnen in den 75 Filialen senken. „Nicht nur die Arbeit muß im Kranheitsfall umorganisiert werden“, klagt Personalleiterin Sabine Kramer in ihrem Rundschreiben an die Filial-Teamleiter, „sondern auch Kosten für die Lohnfortzahlung fallen an“. Krämer: „Nur als Ganzes ist das Team stark.“

Bei zweiter Krankschreibung in einem Jahr sollte der Beschäftigte einen Fragebogen über die „Diagnosehauptgrupppen“ ausfüllen, wo er Auskunft gibt, warum der Kreislauf schon wieder schlapp machte, das Magengeschwür wieder aufgebrochen ist oder die Bandscheibe schon wieder versagt hat.

Der Sprecher der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Jörg Reinbrecht, ist über den hohen Krankenstand nicht sehr verwundert. „Die Firma Budnikowsky geht nicht pfleglich mit ihren Angestellten um,“ meint Reinbrecht. „Willkürliche Arbeitszeiten und Überstunden sind normal“, so Reinbrecht, „ein Ausgleich an Geld oder Freizeit findet oft nicht statt.“ Budnikowsky-Sprecher Rainer Ritsche gab sich offiziell wortkarg. „Wir geben keine Stellungnahme ab.“ Die Fragebogen-Aktion ist jedoch erst einmal gestoppt.

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