Kommentar: Alliierten-Wohnungen
■ Bauminister Müntefering in der Sackgasse
Der Streit um die Alliierten-Wohnungen ist zu einem Dauerläufer im mit Regierungsumzugsthemen nicht gerade armen Berlin geworden. Auf der einen Seite stehen die Mieter, die, einmal eingezogen, nicht mehr aus den Wohnungen in Zehlendorf oder Charlottenburg rauswollen. Auf der anderen Seite stehen Bauminister Franz Müntefering (SPD) und das Bundesvermögensamt, das die Mieter immer wieder an ihr Versprechen beim Einzug erinnert. Damals mußten die Mieter nämlich zusichern, die Wohnungen zu verlassen, wenn die Bonner Karawane erst mal nach Berlin unterwegs ist. Was Müntefering bei seiner starren Haltung außer acht läßt, ist der Umstand, daß sich die Zeiten, soll heißen, die Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt, längst geändert haben.
Natürlich war die Entscheidung von Münteferings Vorgänger Klaus Töpfer (CDU) richtig, den Berliner Wohnungsmarkt in Sachen Regierungsumzug nicht belasten zu wollen. „Der Bund bringt seine Wohnungen mit“, hieß damals die Formel. Gemeint waren achttausend Wohnungen, die neugebaut werden sollten, sowie viertausend Wohnungen aus dem Bestand der Alliierten. Und noch eine richtige Entscheidung hat Töpfer gefällt: Weil die Alliierten-Wohnungen nicht über Jahre leerstehen sollten, wurden sie kurzerhand – und zeitlich befristet – vermietet.
Was Töpfer nicht wissen konnte oder ahnen wollte, ist freilich die Tatsache, daß weitaus weniger Bonner den Weg an die Spree antreten als ursprünglich vorhergesagt. Leerstände etwa auf dem Moabiter Werder sprechen Bände. Wenn aber die Bonner sich längst, entgegen der ursprünglichen Zielsetzung, auf dem Berliner Wohnungsmarkt tummeln, warum dürfen die Berliner im Gegenzug nicht in den für Bonner vorgesehenen Wohnungen bleiben?
Vor diesem Hintergrund scheint das Festhalten des Bundes an den Räumungsklagen nichts als stures Nicht-nachgeben-Wollen zu sein. Bleibt zu hoffen, daß Müntefering trotzdem irgendwann die veränderten Tatsachen zur Kentnis nimmt. Bis dahin bleibt es den Gerichten überlassen, die Berechtigung der Räumungen an der konkreten Nachfrage durch die Bonner zu überprüfen. Uwe Rada
Bericht Seite 20
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