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Das PortraitVerbrechen & Nierentisch

■ Manfred Schmidts karierter Held mit dem eisernen Unterkiefer

„Schrecken der Unterwelt und Freund alles Schönen, eines guten Tropfens und der Tierwelt. Er hat die Kombinationsgabe Einsteins, die stahlharten Muskeln Tarzans und ein weiches Herz, wenn es die Situation erlaubt“. So wurde der erste deutsche Comic-Held, der Detektiv „Nick Knatterton“, von seinem Erfinder Manfred Schmidt eingeführt. 1950 erschien er zum ersten Mal in der Zeitschrift „Quick“, wo er mit großem Erfolg über 10 Jahre lief. Die Serie egründet so etwas wie den Generationenvertrag im Comic: Den Söhnen, die in „Zack“ und „Spiderman“ ihre Helden fanden, erzählten die Väter mit strahlenden Augen von den lustigen Episoden Knattertons und gaben gleich noch die Erkennungssequenz des Detektivs preis: „Kombiniere“.

Was vor allem hieß: Nierentisch, Eisdiele, Motorroller und Atombusen. (Unklar nur, ob die Stahlplatte in Knattertons Schädel eine Kriegsfolge war.) Knatterton kann einfach alles: sich entfesseln, reiten, schießen und vor allem aus einm kleinen Indiz eine komplette Beschreibung liefern: „Kombiniere: Den Brief schrieb ein nervöser Linkshänder, der vorher ein Brathuhn aß.“

Diese Verulkung des omnipotenten Detektivs ist das hervorstechende Merkmal der Geschichten von Schmidt – und der selbstreferentielle Autorenkommentar: „Nick hat es gar nicht gern, wenn sich Frauen vor ihm ganz sicher fühlen“. Schmidt selbst äußerte sich später, er habe mit „Knatterton“ die „primitivste aller Erzählformen“ persiflieren wollen, „wo den handelnden Personentextgefüllte Blasen aus dem Mund quellen, je nachdem, ob sie etwas sagten, hörten, rochen oder gar dachten.“ Das ist ihm nach eigener Aussage gründlich mißlungen. „Die meisten [Leser] bekamen erst den richtigen Appetit auf solche Bildergeschichten.“

Vielleicht kokettiert hier Schmidt. Schließlich hat er sein Leben lang als Pressezeichner, Karikaturist und Autor von „Nick Knatterton“ sein Geld verdient. In der Berliner Illustrirten arbeitete er unter anderem mit E. O. Plauen (“Vater und Sohn“) zusammen, 1946 beteiligte er sich an der von Erich Kästner gegründeten Jugendzeitschrift „Pinguin“. Und dann kam Nick Knatterton, die Figur, die die Jahrzehnte überdauerte. Der Kritiker Eckart Sackmann schrieb, „daß die Abenteuer des Überdetektivs auch heute noch amüsieren und nur wenig von ihrer Faszination eingebüßt haben.“ Schmidt starb im Alter von 86 Jahren, wie am Mittwoch sein Freund Vicco von Bülow mitteilte. Martin Zeyn

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